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Iran, die Bombe und die Medien
In der Berichterstattung über Iran messen die Medien mit zweierlei Maß. Das liegt unter anderem an ihrer »atlantischen« Perspektive – aber nicht nur. Aufklärung sieht anders aus.
von Franziska Augstein
Die CIA plant einen großen Coup: In Teheran will sie eine atomare Explosion herbeiführen, mit der man das iranische Atomprogramm und mit ihm das Regime der Ayatollahs desavouieren will. Die Geschichte hat sich nicht zugetragen, der amerikanische Spionageschriftsteller Robert Littell hat sie 1990 erfunden, drei Jahre, bevor Präsident Clinton dann andere Arten von Undercover-Operationen in Iran in Auftrag gab. Littells Roman »Spion im Spiegel« zeigt, wie alt sie ist: die Furcht vor einer iranischen Atommacht.
Seit den 1990er Jahren haben die Medien auf drei Weisen zur Aufklärung ihrer Leser und Zuschauer nicht eben beigetragen:
- Wo immer ein Bürgerkrieg aufflammt, finden sich Journalisten, die im Namen der Menschenrechte für einen Kriegseinsatz plädieren, und zwar ohne genau zu wissen, wer da gegen wen kämpft. Das galt zum Beispiel für den Kosovo, das gilt heute für Syrien.
- Deutsche Medien neigen dazu, den Standpunkt der USA einzunehmen. Wie einseitig aus »atlantischer« Perspektive die wichtigsten Printmedien in Deutschland generell berichten, hat Uwe Krüger von der Universität Leipzig unlängst in einer Studie herausgearbeitet (Message 1/2013).
- Haben deutsche Politiker und Medien den »Bösen« in der Geschichte einmal ausgemacht, wird der Betreffende dämonisiert.
Im Falle Irans ist das besonders eklatant: Während so gut wie alle Politiker weltweit den Leumund haben, das eine zu sagen und das andere zu tun, macht der Westen bei Mahmud Ahmadinedschad eine Ausnahme: Seine haltlosen Reden werden als Programm verstanden, das nur auf die Umsetzung warte. Wenn der Iran einmal die Atombombe hat, so die Annahme, werde er nicht zögern, sie einzusetzen – die Zerstörung Teherans, die dem auf dem Fuße folgen würde, kümmere den iranischen Präsidenten nicht. Dahinter steht die von vielen offen ausgesprochene Vermutung, dass Ahmadinedschad ein Unikum sei: Anders als normale Diktatoren, Autokraten und andere Verrückte in Regierungspositionen lege er es auf die Selbstzerstörung an. Leider haben die Politpsychologen, die diese Ansicht vertreten, noch nicht erklärt, wie sie dazu kommen.
Mediale Ignoranz
Davon abgesehen ist im Westen durchaus bekannt, dass in Iran ein Machtkampf tobt, den Ahmadinedschad mit größter Wahrscheinlichkeit nicht für sich und seine Clique entscheiden wird. Das »Revolutionsoberhaupt« Ali Khamenei – er trat 1989 die Nachfolge von Ayatollah Chomeini an – sitzt am längeren Hebel. Der »Wächterrat« wird zu verhindern wissen, dass Ahmadinedschads beste Gewährsleute bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Juni zum Zuge kommen. Khamenei ist zwar ein Hardliner, aber eben deshalb will er Iran keinesfalls in den Untergang führen: Vielmehr will er bewahren, was er als die Errungenschaften der islamischen Revolution betrachtet. Man darf Iran und seinen Führern unterstellen, dass sie die Atombombe nicht haben wollen, um sie einzusetzen, sondern aus Prestigegründen und weil etliche andere Staaten in der Region – Russland, Israel, Pakistan, Indien – sie schon besitzen.
Die Financial Times, die sich Unabhängigkeit leistet, hat neulich darauf hingewiesen, dass Iran als wichtige Macht vom Westen »anerkannt« werden möchte. Dasselbe sagt der SPD-Politiker Egon Bahr seit Jahr und Tag: »Iran ist ein großes, reiches Land, das zu Recht stolz ist auf seine Geschichte.« Der gebürtige Iraner Bahman Nirumand hat in seinem Buch »Iran, Israel, Krieg« (2012) daran erinnert, dass die Iraner Perser seien, keine Araber, und dass sie eben deshalb mit den Juden keine traditionelle Fehde hätten.
Die westlichen Regierungen und die Medien sind in ihren politischen Kommentaren allzu geneigt, diese Dinge zu ignorieren. Sie tun so, als hätten sie es in Iran überwiegend mit ungehobelten Fellachen zu tun. Da kam Ahmadinedschad, dessen Wähler tatsächlich eher den bäuerlichen Unterschichten angehören, gerade recht: Er personifiziert die fanatische Unkultur.
Dank Ahmadinedschads ausfälliger Reden hat der Westen ganz schnell vergessen können, dass Iran sich früher um gute Beziehungen mit den USA sehr bemüht hat. Im September 2001 hat der damalige Reformpräsident Mohammad Chatami die Attentate in New York und Washington sofort verurteilt. Dann half Iran den USA bei der Bekämpfung der Taliban und der Al Qaida in Afghanistan. Chatami plädierte für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Gleichberechtigung der Frauen. Er konnte sich gegen seine landesinneren Gegner nicht behaupten, es fehlte ihm an Führungsstärke. Aber dass die USA unter George W. Bush seine Bemühungen nicht honorierten, hat seine Position zusätzlich geschwächt. Die USA taten ihr Bestes, Iran in eine Position hineinzumanövrieren, die Bush Junior und seine Equipe a priori für das Land vorgesehen hatten: als Teil einer »Achse des Bösen« (so Bush 2002). Nachdem Ahmadinedschad 2005 zum neuen Präsidenten Irans gewählt worden war, repräsentierte er das Land so unsäglich, wie man sich das in Washington und Tel Aviv vorgestellt hatte.
Wunsch nach ordentlicher Information
Atombomben sind von Übel. Und was internationale Diplomatie bewirken kann, um ihren Bau zu verhindern, sollte eingesetzt werden. Im Falle Irans vermischen sich aber zwei Ziele: Die Sanktionen gegen Iran sind darauf angelegt, die Wirtschaft des Landes auszuhöhlen. In Washington, so ist zu hören, wären viele mit einem »regime change« sehr einverstanden. Und so wird jetzt seit einigen Jahren an Iran exekutiert, was schon in den 1990er Jahren im Irak fatale Konsequenzen hatte. Die Sanktionen gegen Iran eliminieren zuallererst genau jene Schichten, auf die man im Westen setzt: Die aufgeklärten Mittelschichten. Kaufleute, Ärzte, Juristen und viele andere leben nur noch von der Hand in den Mund. Sie können über westliche Banken kein Geld transferieren oder erhalten. Wegen der Sanktionen hat sich der Wert des Rial gegenüber dem Dollar seit 2011 um geschätzte 80 Prozent vermindert. De jure ist die Einfuhr von Medikamenten von den Sanktionen ausgenommen. De facto können iranische Krankenhäuser und Ärzte keine guten Medikamente aus dem Westen mehr importieren.
So wie der Westen es mit dem Irak gemacht hat, sucht er jetzt in Iran vorzugehen. Neulich gab es ein Treffen in Kasachstan: Die »fünf plus eins« trafen sich mit Vertretern Irans. Die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und China machten Iran Vorschläge, was das Land bei der Urananreicherung alles anders machen müsse, damit ein Teil der Sanktionen aufgehoben werden könne. Wer in den Zeitungen und anderen Medien darüber las, konnte sich fragen: Wenn Iran alles macht, was gefordert wird, warum werden dann nicht alle Sanktionen aufgehoben? Der Leser denkt sich: Solange iranische Politiker nicht das Gefühl bekommen, mit Respekt behandelt zu werden, werden auch diese Unterhandlungen nichts ergeben. Der Leser wünscht sich, zumindest ordentlich informiert zu werden
Die USA suchen Stabilität in der Region. Deshalb wird Saudi-Arabien toleriert, das an Repressivität Iran in nichts nachsteht. Eher im Gegenteil: In Iran werden Kinofilme gedreht, die international gepriesen werden; bedeutende saudi-arabische Filme gibt es nicht. Mit etwas Pech und viel Engagement wird es dem Westen gelingen, die iranische Staatlichkeit langfristig zu beschädigen, so dass in diesem Land wie in anderen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens verschiedene Gruppierungen einander bekriegen – auf Kosten der Bevölkerung. Aber der Westen und die meisten westlichen Medien: Sie werden vermutlich sagen, dass es um die Atombombe gegangen sei.
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