Aus dem Netzwerk Recherche
Frag den Dienst
Auch Journalisten stehen in Deutschland unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Wie viele genau, ist unklar. Netzwerk Recherche versucht, mit einem neuen Projekt Klarheit zu schaffen.
von Günter Bartsch und Albrecht Ude
Ein »praktizierter Verfassungsschutz, wirklich wirksamer Verfassungsschutz« – so würdigte Heribert Prantl im Jahr 2007 die Arbeit von Andrea Röpke, die damals den Leuchtturm-Preis von Netzwerk Recherche erhielt. Zu diesem Zeitpunkt stand die Neonazi-Rechercheurin bereits seit mehr als einem Jahr im Visier des staatlichen Verfassungsschutzes. Der niedersächsische Geheimdienst hatte 2006 eine illegale Spähattacke gegen Röpke gestartet, die noch bis 2012 andauern sollte. Als wäre das nicht genug, versuchte der Verfassungsschutz die rechtswidrige Überwachung auch noch zu vertuschen: Als die Journalistin einen Auskunftsantrag stellte, wurde ihre Akte gelöscht – und ihr mitgeteilt, sie werde nicht überwacht.
Durch den Regierungswechsel in Niedersachsen kam die »Beobachtung« dann aber doch heraus. Auch wie es dazu kam, wurde nun bekannt: 2005 hatte Röpke an einer Veranstaltung der Grünen in der Bremer Bürgerschaft mit dem Titel »Neonazistische Umtriebe in Bremen« mitgewirkt – und war angezeigt worden. Die Begründung: Sie habe einen Film vorgeführt, der die »tätlichen Angriffe von unbekannten Personen« auf Teilnehmer eines NPD-Parteitags zeige. In diesem Zusammenhang habe sie erklärt, sie werde »gegen den Faschismus in jeder Form kämpfen«. Die Bremer Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen des Verdachts der »Aufforderung zu Straftaten« ein. Ein Verfahren, von dem Röpke nichts erfuhr. Und das auch bald wieder eingestellt wurde. Denn der Panorama-Beitrag, um den es ging, zeigte in Wahrheit brutale Übergriffe von NPD-Aktivisten auf eine Gegendemonstration.
Da die Journalistin in Niedersachsen lebt, hatten die Bremer Verfassungsschützer ihre Kollegen in Hannover informiert – die Röpke fortan ausspähten. Es liegt nahe, dass die auslösende Anzeige von einem Nazi kam – in der Szene hat die Rechercheurin viele Feinde. Es genügt also anscheinend, von einem Verfassungsfeind denunziert zu werden, um ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten.
Ein Angriff auf die Pressefreiheit
Die Spitzelattacke gefährde ihre Arbeit als Journalistin, erklärte Röpke auf der Netzwerk-Recherche-Konferenz zur »Recherche am rechten Rand«: Für diese Arbeit sei entscheidend, dass sie als Journalistin ihren Informanten Anonymität zusichern könne. Überwachung durch den Verfassungsschutz könne das Vertrauen in den Informantenschutz erschüttern – selbst dann, wenn sie als Rechercheurin alles absichere. Die Bespitzelung von Journalisten ist also nichts anderes als ein Angriff auf die Pressefreiheit. Röpke ist nicht die einzige Journalistin, die in Niedersachsen illegal überwacht wurde. Insgesamt wurden vom Verfassungsschutz sieben solcher Fälle offenbart – weitere Fälle wollte Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger nicht ausschließen.
Wie viele Journalisten in Deutschland insgesamt überwacht wurden und werden, ist nicht bekannt. Netzwerk Recherche möchte deshalb Journalisten dazu ermuntern, bei Geheimdiensten einen Auskunftsantrag zu stellen. Der Verein will das demnächst durch einen Online-Generator erleichtern: Dieser wird die Anschreiben für Auskunftsersuchen passend nach Behörde und Bundesland ausspucken. Unterschreiben, in einen Umschlag stecken, Briefmarke drauf – losschicken. Ein paar Wochen später (manchmal dauert es auch Monate) erfährt man dann, ob der Geheimdienst Aufzeichnungen über die eigene Person hat.
Das Ausmaß sichtbar machen
Ein solches Auskunftsersuchen ist nicht nur für den Einzelnen eine wichtige Information. In der Summe kann daraus auch das Ausmaß der Überwachung von Journalisten sichtbar werden. Deshalb sollen die Nutzer des Generators dazu animiert werden, Netzwerk Recherche Rückmeldungen zu den Antworten der Behörden zu geben. Die Erfahrungen wird der Verein dann auswerten – und, wo nötig, Verbesserungen im Umgang mit Journalisten und ihren Anfragen anmahnen.
Wenn viele mitmachen, kann das auch ein wichtiges Signal an die Dienste sein: Journalisten nehmen es nicht hin, ausgeforscht zu werden.
Auch für Andrea Röpke ist die Auseinandersetzung mit dem Verfassungsschutz noch nicht beendet. Zwar wurde die gelöschte Akte teilweise rekonstruiert. Ihr wurde aber nur ein Teil davon übermittelt. Andere Teile wurden gesperrt – angeblich, um Quellen zu schützen. Deshalb klagt die Journalistin nun auf uneingeschränkte Auskunft.
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