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Kampf gegen PR-Mühlen
Die PR-Maschinerie der EU entwertet die Arbeit der in Brüssel arbeitenden Korrespondenten. Sie wollen exklusiven Zugang zu Informationen. Die Redaktionen in den Heimatländern wehren sich.
von Michael J. Jordan
Im Alter von nur 28 Jahren hatte Irina Novakova bereits eine beeindruckende Karriere im bulgarischen Journalismus hingelegt. Für Dnevnik, die bedeutendste Zeitung des Landes, und Kapital, das wichtigste Wochenmagazin, berichtete sie als EU-Korrespondentin aus Brüssel. Sie gehörte ursprünglich zu einem ganzen Rudel von Korrespondenten aus den ex-kommunistischen Ländern Osteuropas, die versuchten, den Bürgern der noch jungen Demokratien die oft verwirrende Europäische Union zu erklären. Doch dann kam die Wirtschaftskrise und erwischte die ehemaligen Ostblockstaaten mit voller Wucht. Auch Novakovas Zeitung in der bulgarischen Hauptstadt Sofia ging es schlecht. Als Folge kürzte die Geschäftsführung die Gehälter der Beschäftigten. »Bedrückte Stimmung«
An ihrem Dienstsitz in Brüssel konnte die bulgarische Journalistin beobachten, wie das noch junge EU-Mitglied Litauen die Zahl seiner Korrespondenten auf null herunterschraubte, wie der letzte verbliebene Kollege aus Lettland um seine Existenz kämpfte und ein freier Journalist aus Ungarn ernsthaft mit dem Gedanken spielte, Nebenjobs im PR-Bereich anzunehmen, um über die Runden zu kommen. Ein langjähriger Korrespondent aus Serbien klagte, er müsse möglicherweise gehen, weil es sich kein Auftraggeber in Belgrad leisten könne, ihn für Berichte aus Brüssel zu bezahlen. Novakova besuchte zahlreiche Abschiedspartys von Korrespondenten, für die nie Ersatz geschickt wurde. Das war im Herbst 2010.
Damals sagte sie, eine »bedrückte Stimmung« sei ins Pressekorps eingezogen. »Da ist ein Gefühl von Machtlosigkeit, weil man selbst keine Kontrolle darüber hat.« Sie sagte aber auch, dass sie in der glücklichen Lage sei, ihre Chefs nicht vom Wert eines Korrespondenten vor Ort überzeugen zu müssen. »Zu begründen, warum man weiterhin seinen Job tun sollte – das ist kein angenehmes Gespräch mit dem Chef.« Wenige Wochen später, im November 2010, wechselte auch sie die Seiten und nahm einen Job als Pressereferentin der Europäischen Kommission in den Bereichen Humanitäre Hilfe und Krisenreaktion an.Nach Angaben der International Press Association (IPA) in Brüssel sank die Zahl akkreditierter Reporter von ungefähr 1.300 im Jahr 2005 auf 964 im Jahr 2009. Ist das berufliche Schicksal der Korrespondenten aus osteuropäischen Ländern also nur Teil eines umfassenden Schrumpfungsprozesses des gesamten Pressekorps in Brüssel? Offenbar nicht. …
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