#nr15 Spezial | Interview | Publikum
„Ich hatte noch nie eine journalistische Arbeit, die so befriedigend ist“
Zuerst sollte er nur gelegentlich eine Geschichte aus New York liefern. Durch seinen täglichen Newsletter ist er dann ins Zentrum von Krautreporter gerückt. Christian Fahrenbach über die Morgenpost.
Ein Interview von Josefa Raschendorfer
Message: Die Morgenpost wird schon um 5 Uhr von dir rausgeschickt – wann schläfst du eigentlich?
Fahrenbach: Mein Vorteil ist, dass ich in New York wohne. Ich fange hier gegen 16 Uhr an, habe dann meistens schon ein paar Nachrichten gelesen und brauche etwa zwei Stunden. Meistens stehen dann um 18 Uhr meiner Zeit, also 24 Uhr deutscher Zeit, die Themen für den nächsten Tag schon fest. Wenn es dann keine aktuellen Events mehr gibt, erledigt das zeitverzögerte Senden bei Mailchimp den Rest.
Für euch, als ein von der „Crowd“ finanziertes Portal, ist die Bindung zur Community enorm wichtig. Welche Rolle spielt dabei die Morgenpost?
Mit der Morgenpost verfolgen wir zwei Ziele: Zum einen wollen wir damit den News-Journalismus etwas verlangsamen und auf ein paar wichtige Themen konzentrieren. Zum anderen dient sie als Marketing-Mittel, um unsere eigenen Geschichten an unsere Unterstützer zu bringen, die nicht auf Facebook oder Twitter aktiv sind. Für uns ist es die schwierigste Aufgabe, außerhalb der Medienblase wahrgenommen zu werden. Der Newsletter ist ein gutes Instrument, das zu erreichen.
Ihr verlinkt nicht nur auf eure eigenen Inhalte, sondern auch auf fremde Medienberichte – ihr macht also quasi Werbung für andere Redaktionen. Warum?
Mit der Morgenpost sollen die Menschen in zwei Minuten Lesezeit, die Nachrichten des Tages besser verstehen. Da wir reine Nachrichtentexte per se gar nicht abbilden, verlinken wir in der Morgenpost auf andere gute Medienberichte, Blogbeiträge und Hintergrundartikel. Für die Leserbindung ist es da ganz gut, da die Leute nicht das Gefühl haben, dass wir ihnen etwas verkaufen wollen.
Als ihr euch Gedanken zum Aufbau, zur Sprache, zur Form des Newsletters gemacht habt – was waren wichtige Kriterien?
Eine große Rolle spielt die persönliche Ansprache des Lesers. Beim Herumexperimentieren haben wir zum Beispiel gemerkt, dass die Öffnungsrate höher ist, wenn mein Name, also Christian, als Absender eingetragen ist und nicht einfach nur „Krautreporter Morgenpost“ da steht. Auch war mir wichtig, dass ich jeden Tag nur drei Themen anspreche. Es gibt gar nicht jeden Tag so viele relevante Themen, wie oft getan wird und es ist auch nicht wichtig, jeden Tag Griechenland hinterherzuhecheln. Der normale Leser mit einem Leben außerhalb der News-Blase kann gar nicht so viel aufnehmen. Weitere Kriterien waren, dass der Newsletter etwas plaudernd daherkommt und möglichst auch den Hintergrund eines Themas erklärt. Ich versuche, immer diese „Warum sollte mich das interessieren?“-Frage am Anfang zu beantworten.
Wie viele Abonnenten habt ihr?
Seit Anfang an geht es kontinuierlich bergauf. Es sind jetzt um die 15.000 Abonnenten. Eine wichtigere Kennzahl, um den Erfolg zu messen, sind jedoch die Öffnungs- und Klickraten. Die durchschnittliche Öffnungsrate bei Medien- und Journalismus-Newslettern liegt laut Mailchimp zwischen 15 und 20 Prozent. Unsere liegt zwischen 40 bis 45 Prozent, das freut uns natürlich. Die Klickrate liegt bei 10 Prozent, das heißt, dass jeder zehnte Empfänger mindestens auf einen Link klickt.
In Anbetracht der Tatsache, dass man täglich mit E-Mails regelrecht überflutet wird – Wie schätzt du die Zukunft des Newsletters als ein Instrument zur Leserbindung ein?
Newsletter sind natürlich eine gute Möglichkeit, sich als Medium an die Leser zu binden. Das ist aber immer abhängig vom Publikum. Auf jeden Fall gibt es einen Markt für Newsletter, die persönlich formuliert sind, offen mit Fehlern umgehen, sich einen eigenen Stil trauen und bereit sind, über das eigene Medium hinaus zu denken. Die Leser-Zahlen und der Grimme-Online-Award für den Tagesspiegel-Newsletter von Lorenz Maroldt ist da ja auch so ein tolles Beispiel.
Wie sind die Reaktionen der Leser auf die Morgenpost?
Das Feedback ist sehr positiv. Ich hatte noch nie eine journalistische Arbeit, die so befriedigend ist. Manche sagen sogar, sie würden Krautreporter nur wegen der Morgenpost unterstützen. Das macht mich natürlich riesig stolz. Eigentlich sollte ich anfangs nur gelegentlich eine Story aus New York liefern. Durch die Morgenpost bin ich dann ins Zentrum des Projekts gerückt, weil es ein Element von Krautreporter geworden ist, das richtig gut funktioniert.
Ich habe das Gefühl, dass sich der Newsletter von einem ursprünglichen strategischen Tool des Online-Marketings zu einem eigenen journalistischen Produkt entwickelt hat – Ist das so?
Ich glaube auch, dass es so ist und dass da noch viel Potenzial ist. Der Erfolg des E-Mail-Newsletters liegt darin, dass es so ein leicht lernbares und verständliches Format ist. Einen Newsletter zu schreiben, ist ein Innovationsschritt, den man sich in den Redaktionen leicht zutraut. Social Media dagegen sind viel komplexer und neuer.
Wie läuft es generell bei euch? Wird es euch nächstes Jahr weiterhin geben?
Die neue Funding-Kampagne läuft und wir fragen die Unterstützer aus der ersten Welle, ob sie weiter dabei bleiben. Von den 15.000 müssen 6.000 dabei bleiben, damit es uns weiter gibt. Hinzu kommen 3.000 Unterstützer, die wir im ersten Jahr dazugewinnen konnten. Da die Anfangsinvestitionen wegfallen, reicht wahrscheinlich weniger Geld aus. Es ist jetzt eher der laufende Betrieb, der weiterfinanziert werden muss. Inhaltlich bekommen wir jede Menge Rückmeldungen, die sich dann auch im zweiten Jahr weiter niederschlagen. Wir rücken zum Beispiel etwas von unserer Autorenzentrierung ab und planen eher um Themen und Schwerpunkte herum.
[…] um 5 Uhr in der Früh meldet sich Krautreporter Christian Fahrenbach mit der Morgenpost zu Wort. In weniger als 4.000 Zeichen klärt er die Leser über drei Themen des […]