Demoskopie
Vorsicht: Umfrage!
Wahlumfragen sind mehr als nur ein paar Zahlen. Ihre mediale Wirkung kann sogar Wahlausgänge beeinflussen. Grund genug, den Umgang mit ihnen zu beherrschen.
von Jonathan Gruber
Die Medien lieben Umfragen. Mit ihnen lassen sich komplizierte gesellschaftliche Strömungen, politische Diskussionen und wirtschaftliche Entwicklungen anscheinend anhand weniger Zahlen darstellen. Aus dem journalistischen Alltag sind die Ergebnisse der Meinungsforscher nicht mehr wegzudenken. Mehr noch: Im Netz starten viele Medien mittlerweile eigene Umfragen.
Wer diesen Weg geht, sollte wissen, wie komplex die Mechanik einer statistischen Maschine ist, damit sie am Ende belastbare Ergebnisse ausspuckt. Um ein Umfrageergebnis interpretieren zu können, muss man zumindest die Grundelemente der dahinterstehenden Methodik überprüft und verstanden haben. Für Journalisten heißt das: Sie müssen zum einen die Qualität eines Umfrageergebnisses, die Gültigkeit und Reichweite der zugrundeliegenden Daten vor der Veröffentlichung überprüfen. Dazu verpflichten sie die Landespressegesetze, die eine wahrheitsgemäße Berichterstattung verlangen.
Umfragen bieten Orientierung
Zum anderen müssen Journalisten ihrem Publikum zusätzliche Informationen zur Verfügung stellen, damit dieses die Umfrageergebnisse selbstständig einordnen und interpretieren kann. Dies ist ganz besonders bei Wahlumfragen von Bedeutung, können diese doch den Ausgang einer Wahl maßgeblich beeinflussen. Welche Partei liegt aktuell in Führung? Und wer droht, unter die Fünfprozenthürde zu fallen? Anhand solcher Informationen orientieren sich Menschen bei ihrer Wahlentscheidung, entwickeln Strategien, um einzelne Parteien zu unterstützen, oder versuchen, die allgemeine Stimmungslage einzuschätzen.
Welche Kerninformationen über Umfragen von Belang sind, hat der Deutsche Presserat in einer eigenen Richtlinie (2.1) im Pressekodex festgehalten. Darin heißt es: Neben dem Auftraggeber einer Umfrage sollen der Zeitpunkt der Befragung, die Zahl der Befragten und die explizite Fragestellung genannt werden. Zudem solle das Publikum Informationen über die Repräsentativität der Befragung erhalten. Diese Anforderungen gelten jedoch nicht immer, erklärt Arno Weyand vom Presserat. In einem Meinungsstück beispielsweise müsse ein Autor nicht jede Umfrage mit Detailinformationen unterfüttern. „Je weiter die Umfrage zum Randaspekt eines Textes wird, umso eher kann man das eine oder andere Detail weglassen“, sagt Weyand.
Nicht ohne Stichprobenfehler
Auf keinem Fall fehlen dürfen aus Sicht der Statistikerin Sandra Huber die Zahl der Befragten sowie der sogenannte Stichprobenfehler einer Umfrage. Huber, die an der Universität Passau über die Berichterstattung zu Wahlumfragen promoviert, erklärt, dass ein Umfrageergebnis aufgrund des Stichprobenfehlers ein bis drei Prozent von der Realität abweichen kann. Wenn ein Kandidat in einer Umfrage mit 52 Prozent führt, dann liegt die Wahrheit folglich irgendwo zwischen 49 Prozent und 55 Prozent.
„Ich halte die Fehlerwahrscheinlichkeit für ein ganz wichtiges Merkmal von Umfragen, das man dem Leser möglichst transparent und plakativ mitteilen sollte“, sagt auch Datenjournalistin Christina Elmer aus der Chefredaktion von Spiegel Online. „Ansonsten können leicht Fehlschlüsse entstehen, beispielsweise dass eine Umfrage bezogen auf ein späteres Wahlergebnis exakt zutreffen müsste. Eine Umfrage ist per se erst mal eine Umfrage und keine Prognose.“
13. Juni 2017