Normen
Pärchen Jauch vorm Traualtar
Die Bunte sieht sich wegen Hochzeitsfotos einer Schadenersatzforderung in ungekannter Höhe gegenüber. Wenn sie zahlen muss, werden Berichte über A-Prominente zum unkalkulierbaren Risiko.
von Endress Wanckel
Privatsphäre und Pressefreiheit stehen sich mitunter recht unversöhnlich gegenüber. Klagefreudige Prominente lassen immer wieder Gerichte klären, wie weit die öffentliche Neugier gehen darf. Der konsequent durchgeführte Versuch der Eheleute Jauch, ihre Hochzeit als Privat angelegenheit ohne Bericht erstattung zu behandeln, hat ein breites Medienecho ausgelöst. Rechtzeitig vorher hatte der Moderator den einschlägigen Redaktionen schon im März 2005 über seinen An walt mitteilen lassen, dass er keine Bericht er stattung über seine Eheschließung wünscht. Die Verlegervertreter des VDZ reagierten prompt und werteten dies abfällig als Einschüchterungsversuch eines Medienmannes, »der in seiner Karriere auch davon profitiert hat, dass er über die persönlichen Angelegenheiten Prominenter berichten konnte«. Die harschen Worte verwundern nicht, denn an der Spitze des VDZ steht Prof. Dr. Hubert Burda, dessen Verlag mit mehreren Titeln nur zu gerne Prominenten mehr Öffentlichkeit verschafft, als ihnen lieb ist. Futternäpfe wollen verteidigt werden – während man sich offiziell natürlich um die Pressefreiheit in Deutschland sorgt.
Erinnerungen an Caroline
Erinnerungen an die Medienkampagne nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zum Schutz vor Paparazzifotos im Fall Caroline wurden wach. Bevor das Straßburger Urteil rechtskräftig wurde, forderten zahlreiche Chefredakteure den Bundeskanzler auf: »Stoppen Sie die Zensur!« (Bild vom 30.8.2004). Dabei hatte der EGMR nur entschieden, dass auch Prominente nicht alle Fotos von alltäglichen Vorgängen aus dem Privatleben dulden müssen. Schröder ließ die Einspruchsfrist ungenutzt verstreichen, obwohl auch der Spiegel »die hereinbrechende Dämmerung der Pressefreiheit in kassandrischem Ton beschrieben hatte« (Michael Haller in Message 4/2004).
Das Caroline-Urteil ist nun schon über zwei Jahre gültig. Die People-Magazine leben noch und andere Blätter kommen mit dem Urteil in der Praxis ohnehin kaum in Berührung. Die »größte journalistische Medienkampagne der Nachkriegszeit« (Haller, a.a.O.) hat sich als Sturm im Wasserglas enttarnt. Promis und Yellows lassen wie gewohnt ihre Anwälte die juristischen Schwerter kreuzen, mal gewinnt die Privatheit, mal die Medienöffentlichkeit – weil die deutschen Gerichte ihrem Auftrag, in jedem Einzelfall sorgfältig und umfassend zwischen dem Persönlichkeitsrecht und dem öffentlichen Informationsinteresse abzuwägen, durchaus nachkommen.
Priester und Orchester tabu
Medienprofi Jauch ließ sich trotz Verlegerschelte nicht davon abbringen, seinen Wunsch nach einer möglichst privaten Hochzeit mit juristischen Mitteln durchzusetzen. Schon im Vorfeld erwirkte er eine einstweilige Verfügung gegen den Springer-Verlag, die eine Berichterstattung über Einzelheiten der geplanten Hochzeit untersagte. Weitere ähnliche Verbote gegen andere Medienhäuser folgten. Auch wenn ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Hochzeit an sich besteht, rechtfertige dies nicht die Bekanntgabe, welcher Priester die Trauung vornimmt was für ein Orchester spielt und wer das Essen zum Fest liefert, entschied das Landgericht Berlin zum Beispiel gegen Frau mit Herz (LG Berlin, Urteil vom 6.7.2006, Az. 27 0 574/06, in AfP 2006, 394). Spekuliert werden dürfe aber. So wurde der Super Illu erlaubt, über den Ort eines möglichen Polterabends zu mutmaßen, weil im Artikel offengelassen wurde, ob überhaupt ein Polterabend stattfindet: »Ob Günther Jauch tatsächlich poltert, bleibt sein Geheimnis. Wenn, dann käme dafür nur ein Restaurant in Frage: Das Promi-Restaurant Borchardt am Gendarmenmarkt.« (LG Berlin, Az. 27 0 787/06)
Durchlöcherter Schutzwall
Gerade noch rechtzeitig vor dem Termin der Eheschließung erreichte Springer in zweiter Instanz eine Lockerung des umfassenden Berichterstattungsverbotes. Der Verlag hatte Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt. Die Veröffentlichung von Zeit und Ort der Hochzeitsfeierlichkeiten waren danach erlaubt, andere Details blieben verboten. Das Kammergericht Berlin hob das Verbot des Landgerichts vor allem im Hinblick auf die überragende Prominenz Jauchs und die gewählten Örtlichkeiten auf. Denn trotz seines Wunsches nach Privatheit und Diskretion hatte er ausgerechnet Potsdamer Sehenswürdigkeiten für das Fest ausgewählt. Als Standesamt diente das preußische Lustschloss Belvedere auf dem Pfingstberg, und die kirchliche Trauung wurde in der Sacrower Heilandskirche zelebriert. Zur anschließenden Feier durften die rund 80 persönlich geladenen Gäste in der gut bewachten Orangerie von Sanssouci erscheinen. Springer ließ es sich nicht nehmen, den Prozesserfolg per Pressemitteilung zu vermelden und dabei die drei Orte des Geschehens ausdrücklich zu erwähnen.
Es kam, wie es kommen musste: Der ohnehin durchlöcherte juristische Schutzwall hielt nicht. Auch die Security war nicht zur rechten Zeit am rechten Platz. Und dann versagte auch noch der bauliche Schutz. Durch ein Loch in der Mauer vor dem Belvedere auf dem Potsdamer Pfingstberg – so wird vermutet – soll ein Paparazzo die Aufnahme geschossen haben, die die Bunte so sehr brauchte, um ihren Bericht über das freudige Ereignis zielgruppengerecht zu illustrieren. Es zeigt die glückliche Ehefrau, als sie aus dem Standesamt im traditionsreichen Gebäude tritt. Ob und in welcher Weise die Jauchs hierfür entschädigt werden, sollen nun die Gerichte klären. »Die Beute wehrt sich«, titelte die Zeit, als die Klage Ende Oktober 2006 bekannt wurde. Die gesteigerte Aufmerksamkeit, die diesem Rechtsstreit zuteil wurde, resultiert vor allem aus der hohen Forderung. 300.000 Euro sollen es laut Zeit vom 26.10. sein. Die Zahl basiert auf Angaben des Münchener Bunte-Anwalts, während der Berliner Jauch-Anwalt dazu zunächst keine Informationen geben wollte. Die Forderung beträgt damit zwar nicht das Zehnfache dessen, was Boulevard-Opfer sonst bekommen – wie fälschlicherweise zu lesen war – ist aber deutlich höher als die höchste bisher gerichtlich ausgeurteilte Entschädigung. Die Latte liegt in Deutschland bei 100.000 Euro.
Finanzlage der Medien berücksichtigen
Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt: Fast nie wird Medienopfern die begehrte Geldentschädigung in voller Höhe zugesprochen. Als zum Beispiel Prinzessin Caroline in den 90er Jahren gegen den Burda-Verlag ins Feld zog, klagte sie wegen drei rechtswidriger Titelgeschichten, darunter ein erfundenes Exklusiv- Interview, auf mindestens 400.000 DM. Das Hanseatische Oberlandesgericht sprach ihr im Ergebnis im Jahre 1996 180.000 DM zu, nachdem der BGH zuvor in einem Grundsatzurteil entschieden hatte, dass die Gewinnerzielung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung einzubeziehen sei (BGH, Urteil vom 15.11.1994, Az: VI ZR 56/94, in NJW 1995, 861).
Die monegassische Prinzessin scheiterte damals allerdings mit ihrem Vorhaben, den vollständigen Gewinn, den die Blätter mit den rechtswidrigen Veröffentlichungen erwirtschaftet hatten, abzuschöpfen. Der Gedanke der Prävention gebiete es jedoch, so der BGH damals, bei vorsätzlichen Rechtsbrüchen zum Zwecke der Auflagensteigerung und damit zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen die finanzielle Lage der Verletzer zu untersuchen, damit die Geldentschädigung für diese spürbar wird. Eine vorsätzliche Übertretung der presserechtlichen Grenzen soll sich für den Verletzer nicht lohnen. In der Medienpraxis ist Deutschland aber von diesem Ziel noch weit entfernt. Ein klares Indiz dafür ist der Umstand, dass die Preise für Rechte an gelungenen Paparazzi- Abschüssen noch immer weit über den später hierfür eingeklagten Entschädigungen liegen.
Gala musste zahlen
Gleichwohl sind die Erfolgschancen für die Jauch- Klage nicht gering. Schon in anderen Fällen haben die Gerichte hohe Geldentschädigungen zugesprochen, wenn eine Verletzung der Privatsphäre vorlag, obwohl sich der geschilderte Vorgang an einem öffentlichen Ort zugetragen hatte.
So sprach das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg im Jahre 2000 Prinzessin Caroline 200.000 DM in einem Prozess gegen Gala zu. In einer Titelstory der Gala vom Juni 1997 waren über 30 Paparazzi-Fotos mit Kuss- und Turtelszenen an Bord einer Yacht vor dem Hafen von Palma de Mallorca veröffentlicht worden. Die Beziehung der monegassischen Prinzessin zum deutschen Welfenprinzen war damals noch geheim. Für diese Indiskretion wurde die Geldentschädigung auf 150.000 DM festgesetzt. Weitere 50.000 DM wurden für andere Aufnahmen fällig, die die Prinzessin beim Beten und Abendmahl in einer einsehbaren Open-Air-Kirche auf Jamaika zeigten.
Der Schriftstellerin Hera Lind wurden wegen einer unfreiwilligen Enthüllung in der Zeitschrift Neue Revue vom Landgericht Hamburg im Juli 2001 immerhin 150.000 DM zugesprochen. Die Neue Revue hatte in der Titelgeschichte »Lago Amore« insgesamt 15 Fotografien gezeigt, die Lind alleine und zusammen mit ihren Kindern und ihrem Lebensgefährten während eines Urlaubs an einem Flussufer nahe des italienischen Lago Maggiore beim Baden und Umkleiden zeigten.
Richter müssen Marktwert schätzen
Im aktuellen Fall der Fotos von der Jauch-Hochzeit werden sich die Richter aber auch mit dem Marktwert der Fotos befassen müssen. Dadurch könnte die bisherige Schallgrenze von 100.000 Euro bei presserechtlichen Geldentschädigungen durchbrochen werden. Die klägerische Argumentation liegt auf der Hand, wenn man sich vor Augen hält, dass die deutschen Gerichte Prominenten seit langem sogenannte »fiktive Lizenzentschädigungen« zusprechen, wenn sie ohne Erlaubnis in der Werbung abgebildet werden. Dabei kommt es nicht auf die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung an, sondern auf die Höhe des Honorars, welches der Prominente erhalten hätte, wenn er seine Erlaubnis erteilt hätte.
Boris Becker hat zum Beispiel im Frühjahr 2006 vom Landgericht München in einem noch nicht abgeschlossenen Verfahren eine Lizenzentschädigung in Höhe von 1,2 Millionen Euro wegen seiner unerlaubten Abbildung in einer Eigenanzeige der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zugesprochen bekommen. Ein Sachverständiger hatte diesen Lizenzwert in einem gerichtlichen Gutachten bestätigt. Günther Jauch hat vor Gericht unlängst den Marktwert eines ihn zeigenden Fotos auf dem Titel des Super-Illu-Sonderheftes Rätsel und Quiz mit mindestens 100.000 Euro angegeben. Das Blatt hatte sein Foto ungefragt auf der Titelseite des Rätselheftes platziert und dazu getextet, er zeige mit Wer wird Millionär, wie spannend Quiz sein kann. Die Klage blieb allerdings in erster Instanz erfolglos. Das Landgericht Hamburg sah die Titelseite großzügig als geschützten redaktionellen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung an, obwohl im Heft keine weiteren Informationen über Jauch enthalten waren.
Auch im Fall der Hochzeitsfotos handelt es sich um einen redaktionellen Beitrag, nicht etwa um eine Anzeige. Der Gedanke einer Abschöpfung des Lizenzwertes ist trotzdem naheliegend: Wenn die Eheleute Jauch – wie so manch andere Prominente – ihre Hochzeit vermarktet hätten, wäre ein Preis von 300.000 Euro für die Exklusivrechte an den Fotos nicht unrealistisch gewesen. Die Exklusivrechte für Fernsehbilder der Hochzeit von Tom Cruise und Katie Holmes im italienischen Bracciano werden beispielsweise auf 2 Millionen Dollar geschätzt. Dagegen wirkt eine Forderung von 300.000 Euro wie im Fall Jauch geradezu preiswert.
Kommerzialisierung der eigenen Person
Wie auch immer der Fall Jauch ausgeht: Kommt es zu einem Urteil, hat dies Signalwirkung für zukünftige Fälle. Gelingt es den Frischvermählten, ihre Forderung durchzusetzen, wird die Berichterstattung über Prominente mit hohem Marktwert zum unkalkulierbaren Risiko. Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Grundsatzurteil bereits festgestellt, dass der Schutz der Persönlichkeit nicht dazu dient, das eigene Privatleben kommerziell auszuwerten. In der Caroline- Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 2000 (NJW 2000, 1021, 1023) heißt es hierzu:
»Der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz (…) ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet. Zwar ist niemand an der Öffnung privater Bereiche gehindert. Er kann sich dann aber nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Privatsphärenschutz berufen. Die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweise in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss daher situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden.«
Die Gerichte werden im Fall Jauch also in erster Linie zu prüfen haben, ob er und seine Frau ihr Privatleben, insbesondere die Hochzeitsvorbereitungen, in der Vergangenheit hinreichend diskret behandelt haben. Die Chancen für seine Klage stehen nicht schlecht.
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