Lokalisierung
In der Heimat sind wir König

Leser wollen News aus der Nachbarschaft. Zeitungsverlage reagieren: Sie bauen die Frontseite um und ziehen Lokalnachrichten ins erste Buch. Doch Zweifel am Erfolg dieser Strategie sind angebracht

von Andreas Lochner

Die Kaffeemaschine gluckert, die Eier brutzeln in der Pfanne – irgendwo, morgens, Anfang Dezember, in einer Küche im niedersächsischen Northeim. Der 51-jährige Verwaltungsangestellte Hermann K. liest am Küchentisch die Zeitung. Seine Frau Jutta bereitet das Frühstück zu. »Hast du schon gehört: Das Bewegungsbad in der Klinik ist seit Wochen stillgelegt. Wegen Reparaturarbeiten«. Jutta K. sieht zu ihrem Mann: »Das gibt es ja nicht.« Sie schüttelt den Kopf. »Jetzt, wo Mutter kommende Woche wegen ihrer Hüfte hin muss.«

Jutta und Hermann K. gibt es nicht. Wohl aber die Schlagzeile: Am 2. Dezember 2009 waren die Reparaturarbeiten im Bewegungsbad der Seite-eins-Aufmacher der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen (HNA), außer in Northeim auch im Nachbarort Uslar. Vom Rücktritt des General-Motors-Chefs Fritz Henderson oder davon, dass Ex-Siemens-Boss Heinrich von Pierer fünf Millionen Euro an seinen alten Konzern zahlt, haben Northeimer und Uslarer beim ersten, schnellen Blick in die Zeitung nichts erfahren.

Denn in Zeiten von Medienkrise und Leserschwund setzt ihre Zeitung auf Lokalisierung. Ist das die richtige Strategie – und ist die HNA ein Vorbild für andere Zeitungen?

Die HNA ist die erste große Regionalzeitung in Deutschland, die konsequent auf Lokalisierung setzt. Im ersten Buch finden sich nur Lokalnachrichten. Aufmacher und Titelbild haben in allen Ausgaben einen lokalen Bezug. Überregionales wird in sechs Meldungen in der rechten Randspalte abgehandelt.

Dabei ist das Lokalisierungsmodell der HNA nicht das Ergebnis monatelanger Marktforschung – sondern eher aus der Not geboren: während der Tarifauseinandersetzungen in der Druckindustrie im Mai 2009. Die Gewerkschaft Verdi forderte in Hessen 5 Prozent mehr Lohn. Warnstreiks drohten. Die HNA reagierte und stellte die Blattstruktur um: Lokales nach vorne, Politik nach hinten. So wären im Streikfall weniger Druckplattenwechsel nötig gewesen, die nächste Ausgabe hätte auf diesem Weg zur Not auch mit einer Rumpfmannschaft gemacht werden können.

Die Tarifverhandlungen sind seit Juni 2009 vorbei, die neue Blattstruktur der HNA gibt es immer noch. Und so haben die Drucker – die einstigen Avangardisten der Arbeiterbewegung – dafür gesorgt, dass ihre Zeitung zu den Avantgardisten des Zeitungsjournalismus zählt. Zumindest sieht das Horst Seidenfaden so, der Chefredakteur der HNA. Er fordert die anderen Verlage auf, der HNA zu folgen: »Liebe Leute, traut es euch einfach!«

Das Image leidet

Doch macht sich die Lokalisierungsstrategie des Ippen-Blattes bezahlt? Steigt die Auflage? Zumindest …

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