Kooperativer Journalismus
In Zukunft sind wir Viele
Blogger, Twitterer, Suchroboter: Wir sollten langsam einsehen, dass nicht mehr wir allein die Zeitung machen. Ein Plädoyer des Guardian-Chefredakteurs für mehr kooperativen Journalismus.
von Alan Rusbridger
Eine Vortragsreihe, die letzten Sommer in London gehalten wurde, ließ mich aufhorchen: »Warum Journalismus wichtig ist« lautete der Titel. Nun ja, darüber sollten wir uns wohl einigen können. Doch dass es überhaupt nötig ist, den Journalismus grundsätzlich zu verteidigen, ist schon etwas ernüchternd. Ist es tatsächlich so weit gekommen? Als ich begann, über meinen eigenen Beitrag zu dieser Vortragsreihe zu grübeln, wurde mir klar, dass die Frage schwieriger zu beantworten ist, als es zunächst scheint.
Als es noch selbstverständlich war, dass Journalismus wichtig ist, teilten wir eine Reihe von Ansichten darüber, was Journalismus ist, wie er verbreitet und finanziert werden sollte, durch welches Medium wir ihn zum Ausdruck bringen, und – last but not least – wer Journalismus macht. Wir stimmen vermutlich immer noch darin überein, dass er wichtig ist, aber es dürfte mittlerweile schwieriger sein, sich darauf zu einigen, was Journalismus eigentlich ist.
Verdrehter Journalismus
Eine Antwort auf diese Frage geben viele Webseiten, die quasijournalistische Funktionen ausüben, aber überhaupt nicht wie Zeitungen oder digitale Zeitungen aussehen. Sie verdrehen, ergänzen, verwässern oder ersetzen den herkömmlichen Journalismus. Manche können sogar als Journalismus durchgehen – obwohl sie meines Wissens kaum Leute beschäftigen, bei denen die Berufsbezeichnung »Journalist«gerechtfertigt wäre. Hier sind drei solcher Seiten:
Bürger melden Missstände: »Fix my street«
Die erste, FixMyStreet.com, ist eine Seite, auf der Bürger alle Missstände in ihrer Umgebung melden können. Zum Beispiel ein Schlagloch. Solange wir zurückdenken können, war es die Aufgabe von Lokalzeitungen, über Schlaglöcher zu berichten.
Der Vorgang war einfach und mühsam zugleich: Ein Schlagloch beschädigt einen Reifen oder ein Auto. Die Zeitung fotografiert den Fahrer, wie er auf das Schlagloch zeigt. Der Reporter dokumentiert die Wut des Mannes. Wenn es gut läuft, teert jemand von der zuständigen Behörde das Loch zu – unbemerkt von der Lokalzeitung, die sich dem nächsten Schlagloch widmet.
All das erledigt FixMyStreet.com viel einfacher und effektiver – billiger sowieso. Ein Bürger meldet das Schlagloch der Webseite. Dort erscheint es auf einer Karte und kann per Postleitzahl gesucht werden. Man kann eigene Fotos vom Mobiltelefon aus senden. Die besseren Gemeinderäte beobachten die Webseite und melden Reparaturmaßnahmen, so dass es alle mitbekommen. Genau wie Lokalzeitungen – nur besser.
Parlamentsberichte: »They work for you«
Die zweite Webseite, TheyWorkForYou.com, kommt von denselben Leuten, die »Fix my street« erfunden haben. Die Seite bietet dermaßen umfangreiche Parlamentsberichtertattung, dass die Times zu ihrer Glanzzeit nicht davon hätte träumen können. Auch hier können Bürger nach allen möglichen Informationen suchen, entweder anhand von Themen oder über die Namen …
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