Editorial

Liebe Leserinnen, Liebe Leser
Michael HallerLutz Mükke

was halten Sie von den Enthüllungen durch Wikileaks: eine völlig unnötige Diskreditierung der US-Diplomatie oder Glanzstück der investigativen Arbeit? Aus unserer Sicht war es weder das eine noch das andere. Wir meinen, es handelte sich um heiklen, für manche Leute auch brisanten Informationsrohstoff, der erst dank intensiver journalistischer Überprüfungs- und Selektionsarbeit zu dem wurde, was die Öffentlichkeit erregt: ein Fenster in die Küche der US-amerikanischen Außenpolitik. Solche Enthüllungen sind nichts Neues; massive Leaks und böse Rachefeldzüge bot die US-Administration schon mehrfach, wie unsere Berichte erzählen.

Ob Diplomaten-Mails oder EU-Dokumente oder Toll-Collect-Absprachen: Nicht das Leck ist entscheidend, sondern der professionelle Umgang mit dem durchgesickerten Material – und zur Professionalität gehört auch Augenmaß für die Bedeutung der Sache, zählt Verantwortung gegenüber den Betroffenen der Enthüllung – und gehört das Recherchehandwerk, damit wir sicher sein können, dass die Behauptungen auch zutreffend sind. Wir reden über die Politik-Magazine des Deutschen Fernsehens, die vor fünfzig Jahren eingerichtet wurden, um Vorgänge in Politik und Wirtschaft kritisch unter die Lupe zu nehmen. Panorama, Monitor, Report usw.: Sie setzten Maßstäbe für aufklärerischen Journalismus in Deutschland. Ist das noch immer so? Christoph Maria Fröhder und vier der prägenden Magazinmacher nehmen diese fünfzig Jahre unter die Lupe. Und erzählen in mancherlei Hinsicht Erhellendes.

Das Publikum hat unfassbar viele Rundfunkprogramme, Printtitel wie auch News-Anbieter über Internet-Websites, Blogs und Twitter zur Verfügung. So viel Auswahl war noch nie. Und wenn Sie uns ein bisschen Pathos erlauben: Das Auswählen gehört zum Kern unseres demokratischen Gemeinwesens. Es gehört zur Paradoxie dieses Trends, dass wir mit der Auswahlfreiheit im Alltag zunehmend Probleme haben, dass wir werbegelenkt und marktabhängig handeln, dass wir an soziale und kulturelle Schranken prallen. Je mehr Auswahlfreiheit, desto größer der Wissensbedarf – und desto wichtiger wird die journalistische Recherchearbeit, die das Falsche vom Richtigen und das Beliebige vom Notwendigen zu trennen versteht. Dass diese Arbeit oft genug erschwert, manchmal auch gefährlich ist, sehen wir immer mal wieder, wenn Rechercheure verfolgt, verletzt, getötet werden. Dass sie auch erfolgreich aufklären und – wie in unserem Fall – Subventionsbetrügerei in der EU aufdecken können, dies zeigen unsere Rechercheprotokolle aus Österreich und Bulgarien.

Dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, neben diesen Beiträgen auch die luzide Analyse der Nutzungstrends im Umgang mit iPad-Apps wie auch unsere erhellende Diskussion über die Arroganz der westdeutschen Zeitungen und die Medienmauer in den Köpfen der Publizisten interessant finden, dies wünschen sich Ihre Message-Herausgeber

Michael Haller

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