Aus Dem Netzwerk Recherche
Informationsrechte haben viele Löcher
Akten bleiben gesperrt und Auskünfte werden verweigert.Verfügungen werden angedroht und kommode Richter in Stellunggebracht: Auch in Deutschland müssen die Rechtsmittel derRecherche gestärkt werden.
von David Schraven (netzwerk Recherche)
Schon heute werden die Bestimmungen in den Presse- undInformationsfreiheitsgesetzen des Bundes und derLänder von Behörden oft nicht eingehalten, relativiert odersituativ ausgedeutet. Es scheint, als würde in etlichen Amtsstubenweiter versucht, Verschwiegenheit über Transparenz zu stellen. EinUnding: An erster Stelle hat heutzutage laut Gesetz die Offenheit zustehen, nicht spätabsolutistische Geheimnistuerei. Drei Beispiele:
• Dokumente zu einem prominenten Fördervorhaben der EU in NRWwurden vor Einsichtnahme geflöht – tausende Seitenverschwanden ohne Begründung aus den Akten. Später hießes, es habe sich um Amts- und Geschäftsgeheimnisse gehandelt.
• Eine Behörde verlangt für Einsichtnahmen die lautGebührenordnung höchstmöglichen Kosten vonbis zu rund 1.000 Euro je Einsicht. Journalisten können daher nurnoch vereinzelt in Akten schauen. Dutzende Vorgänge bleiben unterVerschluss.
• Obwohl Gutachterkosten und Auftragsvolumen deröffentlichen Hand bekannt gegeben werden müssen, weigern sichüberall in Deutschland Ämter, diese Daten herauszugeben– angeblich weil Geschäftsgeheimnisse enthalten seien.Reihenweise muss erst geklagt werden, um einfache Auskünfte zuerhalten.
Das Netzwerk Recherche fordert daher alle Behörden von der Polizeiüber Ministerien bis hin zu Stadtverwaltungen auf, künftigdie Bestimmungen der Landespressegesetze einzuhalten und sichrechtstreu zu verhalten. Darüber hinaus setzt sich das NetzwerkRecherche dafür ein, die Pressefreiheit in Deutschland weiter zustärken.
Akteneinsicht sollte möglich sein
Medien müssen sich Informationen selbst beschaffen können.Dazu reicht der bereits bestehende presserechtliche Auskunftsanspruchoft nicht aus. Durch ihn werden Behörden lediglich verpflichtet,Fragen von Pressevertretern wahrheitsgemäß zu beantworten.Aus Sicht des Netzwerk Recherche sollte deswegen der medienrechtlicheAuskunftsanspruch an Behörden zu einem Informationsanspruchausgeweitet werden.
Das Auskunftsrecht der Medien sollte ein Akteneinsichtsrechteinschließen, das den Medien die Überprüfung undErgänzung von Informationen ermöglicht. Ein solches Rechtwürde die Kontrollfunktion der Medien stärken. Denn sowürde den Behörden die Möglichkeit genommen, ihreMitteilungen für die Medien zu »glätten«, d.h.sie auf solche Informationen zu konzentrieren, die sie »in einemguten Licht« erscheinen lassen. Gleichzeitig wäre eseinfacher, im Streitfall die Ansprüche der Medien durchzusetzen. Zusätzlich sollte der Informationsanspruch der Medien auchdas Recht einschließen, von den Trägern deröffentlichen Gewalt eine Stellungnahme in mediengerechter Form(Interview, Pressekonferenz) zu erhalten. Auch der Kreis derAuskunftsverpflichteten sollte ausgedehnt werden.
Eine Auskunft sollte nicht allein von der Behördenleitung,sondern auch von den sachlich zuständigen Ebenen verlangtwerden können. Das würde die Recherche der Medienvereinfachen und Fehlinformationen vermeiden, die durch den Umwegüber interne Behördenkommunikation entstehen.
Die freie Recherche gehört zu den Grundbedingungen einer freienMedienarbeit. Deshalb darf ein Medienvertreter nicht staatlich verfolgtwerden, weil er einen Behördenmitarbeiter ohne Erlaubnis desBehördenleiters befragt hat. Eine Strafbarkeit vonMedienvertretern wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Verletzung desDienstgeheimnisses (§ 353b StGB) ist demgemäß in jedemFall auszuschließen.
Weiter sollten Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz oderdem Umweltinformationsgesetz in der gesetzlich vorgesehenen Zeitbearbeitet werden. Um eine unsachgemäß lange Bearbeitung vonAnfragen zu verhindern, müssen Sanktionsmöglichkeitengeschaffen werden. Zu oft werden Anfragen monatelang verschleppt.
Schließlich sollten die Gebühren für Anfragen nach demInformationsfreiheitsgesetz oder demUmweltinformationsgesetz für Medienvertreter aufein angemessenes Maß reduziert werden. Hier ermöglicht dersogenannte »Billigkeitsparagraf« in den meistenInformationsgesetzen ein entsprechendes Vorgehen. Es heißt dortin der Regel, dass Gebühren aus »billigen«Gründen reduziert werden können. Das ist der Fall, wennJournalisten in öffentlichem Interesse Auskunft begehren.
Weiter sollte unserer Ansicht nach diskutiert werden, ob der in denjeweiligen Landesgesetzen garantierte medienrechtlicheAuskunftsanspruch auf öffentlich notierte oder geführteUnternehmen sowie gemeinnützige Vereine, Stiftungen undVerbände ausgedehnt werden sollte.
Es bedarf weiterer dringender Änderungen im Medienrecht. Sogebietet der Schutz der Medienfreiheit, den »fliegendenGerichtsstand« für Mediensachen aufzuheben.
Für Unterlassungsansprüche gegen Medien sollte neben demGericht, in dessen Bezirk das Medienunternehmen seinen Sitz hat, nurdas Gericht zuständig sein, in dessen Bezirk der Antragsteller aufUnterlassung wohnt beziehungsweise seinen Sitz hat. Leiderermöglicht es der § 32 der Zivilprozessordnung (ZPO) bislang,ein Unterlassungsbegehren bei jedem Gericht geltend zu machen, indessen Bezirk der Beitrag verbreitet worden ist.
Für eine Entscheidung über die Verhinderung eines Beitragesin einem bundesweit verbreiteten Medium ist demzufolge jedesLandgericht in Deutschland örtlich zuständig. Ein Klägerkann deshalb frei wählen, welches dieser Gerichte er anruft. Immerwieder erleben wir, dass diese Rechtslage von Anwälten derBetroffenen zunehmend zu einer Art von »Gerichtshopping«missbraucht wird: Haben sie mit ihrem Antrag bei dem einen Gerichtkeinen Erfolg, stellen sie ihn in leicht abgewandelter Form bei demnächsten Gericht, bis sie eine Kammer finden, die dieVerfügung erlässt.
Schließlich sollte das Eilverfahren zur Verhinderung vonMedienberichten so gestaltet werden, dass das betroffeneMedienunternehmen eine faire Chance hat, sich gegen denUnterlassungsantrag zur Wehr zu setzen. Dazu gehört auf jedenFall, dass es bei dem zuständigen Gericht nicht nur eine(vorbeugende) Schutzschrift einreichen kann, sondern auch, dass dasGericht bei seiner Entscheidung in jedem Fall den Vortrag beiderParteien berücksichtigen muss. Dies kann nur gesichert werden,wenn der gerichtlichen Unterlassungsverfügung in jedem Falle einemündliche Verhandlung vorausgeht.
Bislang kann es gerade hier zu einem erheblichen Eingriff in dieBerichterstattungsfreiheit der Medien kommen;nämlich dann, wenn die Veröffentlichung eines Medienberichtsdurch eine im Eilverfahren in der Sache nicht gerechtfertigteUnterlassungsverfügung verhindert wird. Dies ist möglich,weil das Gericht den Unterlassungsanspruch im Eilverfahren nursummarisch prüft und diese Prüfung allein auf eidesstattlicheVersicherungen des Antragstellers stützen kann. Dass eineungerechtfertigte Eilverfügung im anschließendenHauptverfahren wieder aufgehoben werden kann, beseitigt die Schweredieses Eingriffs nicht – vor allem bei aktuellerBerichterstattung.
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