Mexico
Im Kreuzfeuer der Drogenkartelle
Mexikanische Reporter setzen sich täglich Morddrohungen der Drogenmafia aus. Um trotzdem zu berichten, müssen sie sich zusammenschließen. Viele haben ihren Job mit dem Leben bezahlt.
von José Gil Olmos
Cuernavaca heißt in der Sprache der Ureinwohner »in der Nähe der Bäume«. Die Stadt im mexikanischen Hochland, gut 55 Kilometer von Mexiko City entfernt, ist seit jeher ein Ort der Erholung. Nun liegen täglich Leichen mit Drohbotschaften der Drogenhändler auf der Autobahn. Häufig werden die Körper an Brücken gehängt, damit sie von den Behörden und Bürgern gesehen werden. Die Drogenkartelle haben Cuernavaca zur Konfliktzone erklärt.
Hier war es auch, wo am 27. März 2011 sieben Personen ermordet wurden. Unter ihnen Juan Francisco, der Sohn des Dichters Javier Sicilia. Als Anführer einer Friedensbewegung hat er die Familien der vielen Opfer des Drogenkriegs zusammengebracht. Journalisten und Fotografen, die über die Morde berichten wollten, erhielten schon Todesdrohungen, bevor sie überhaupt mit der Arbeit begonnen hatten. Die Kartelle befehlen den Medien, über bestimmte Dinge nichts zu veröffentlichen. Tun sie es trotzdem, werden sie sterben, so die Drohungen.
Und die Erfahrung zeigt: Mit diesen Drohungen spielt man nicht. Um trotzdem berichten zu können, organisieren sich die Journalisten als Gruppe. Alleine fährt man nicht mehr an einen Tatort; es geht nicht mehr darum, eine Nachricht schnell und exklusiv zu haben, sondern darum, das Thema überhaupt abzudecken, ohne dafür mit dem Leben zu bezahlen.
Wie in einem Mafia-Film
Die Journalisten, die über die Morde von Cuernavaca berichten wollten, merkten schnell, dass nicht nur sie mit Kamera vor Ort waren: Auch die Drogengangs filmten – und zwar die Reporter. Die Kartelle wollen wissen, wer die Journalisten sind, wollen wissen, wie sie aussehen. Im Drogenkrieg wird zurückgefilmt.
Manche Reporter in Mexiko fragen sich jeden Morgen beim Verlassen ihres Hauses, ob sie abends zurückkommen und ihre Familie jemals wiedersehen werden. Andere haben sich in dem Glauben, nicht mehr zurückzukehren, schon von ihren Kindern verabschiedet. Viele mexikanische Journalisten träumen, dass sie verfolgt oder auf der Straße umgebracht werden, von den bewaffneten Männern, die keine Gnade mehr kennen. Es klingt wie in einem Mafia-Fim – und ist in Mexiko alltägliche Realität.
Tote und Vermisste
Laut der nationalen Menschenrechtskommission wurden in den vergangenen zehn Jahren 74 Journalisten aufgrund ihrer Berichterstattung umgebracht. Die kolumbianische Stiftung für Meinungsfreiheit spricht gar von 83 getöteten und 12 vermissten Reportern. Kein einziger Fall wurde aufgeklärt, nie die Verantwortlichen gestellt. Die Zahlen sind alarmierend – und machen Mexiko für Journalisten zum gefährlichsten Land Lateinamerikas.
Zwar spiegeln die Zahlen die schwierige Situation mexikanischer Reporter wider; ihren täglichen Kampf können sie jedoch kaum ausdrücken. Die Probleme sind gravierend – besonders derjenigen, die aus den Kriegsgebieten berichten. Dort ist die Konfrontation zwischen den Drogenbanden und Soldaten, die Morde, Hinrichtungen und das Verschwinden von Menschen zur Gewohnheit geworden. Seit 2006 dauert der Konflikt nun schon an. Damals erklärte Präsident Felipe Calderón den Krieg gegen die Drogen. In den mexikanischen Bundesstaaten, in denen das organisierte Verbrechen herrscht und in denen die Behörden Verbündete der Drogenbosse sind, gibt es für Journalisten nur eine Option, wenn sie nicht in den Konflikt hineingezogen werden wollen: Selbstzensur. Angesichts direkter Todesdrohungen, die sich nicht nur gegen die Reporter selbst, sondern auch gegen ihre Familien richten, haben sie entschieden, nicht mehr über das zu informieren, was in den vom Drogenkrieg geprägten Regionen passiert: etwa in den nördlichen Bundesstaaten Tamaulipas, Chihuahua oder Sinaloa, vermehrt aber auch im Süden, in Guerrero und Veracruz. Hier hat es in den letzten Jahren immer wieder Massaker und blutige Gefechte gegeben. Ganze Dorfgemeinschaften sind aus Angst geflüchtet.
Nicht mal Weiterbildungskurse
In den lokalen Medien wird auch darüber nicht berichtet; die Macht der Drogenkartelle ist zu groß. Erst, wenn sich ein Bürger, ein Augenzeuge traut, in den sozialen Netzwerken über das Geschehene zu berichten, werden die ersten Informationen bekannt. Erst dann beginnen Journalisten aus anderen Städten, manchmal sogar nur aus anderen Ländern, zu recherchieren. Und nur dann …
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