Elitejournalismus
Die Nähe zur Macht
Eine Netzwerkanalyse beleuchtet die Verbindungen deutscher Top-Journalisten zu Eliten aus Politik und Wirtschaft. Vier Journalisten fallen mit ihrer elitenkonformen Berichterstattung besonders auf.
von Uwe Krüger*
* Der Beitrag stützt sich auf das Buch »Leitmedien und ihre Nähe zu Eliten aus Politik und Wirtschaft – Theorie, Netzwerke, Fallstudien« (erscheint in Kürze im Verlag Herbert von Halem, Köln).
Die Münchner Sicherheitskonferenz ist eine hochkarätige, aber umstrittene Veranstaltung. Wenn sich jährlich im Februar über 300 Sicherheitspolitiker, Diplomaten, Militärs, Rüstungsindustrielle, Banker, Versicherer, Analysten und Publizisten treffen, protestieren stets mehrere Tausend Menschen auf der Straße, und parallel findet eine Gegenveranstaltung namens Münchner Friedenskonferenz statt.
Schreibt jedoch der Außenpolitik-Ressortleiter der Süddeutschen Zeitung, Stefan Kornelius, über die Angelegenheit, wundert sich so mancher Leser über Parteinahme zugunsten der Sicherheitskonferenz und über die Marginalisierung ihrer Gegner, die bis hin zur Verwendung falscher Zahlen geht. Kornelius schilderte beispielsweise in einem Beitrag, wie sich das Verhältnis zwischen Konferenzleiter Wolfgang Ischinger und den Protestlern angeblich entspannte: Ischinger »brach das Eis, indem er auf die Gegner zuging. Ein halbes Dutzend Mal traf er sich mit verschiedenen Gegner-Gruppen, diskutierte, hörte zu, versuchte zu überzeugen (…) Ischinger machte in den Gesprächen ebenfalls klar, dass es intellektuell unredlich sei, von den Konferenzteilnehmern als ‚Kriegstreibern‘ zu reden, wenn es um Abrüstung, Energiesicherheit oder Verständnis zwischen den Großmächten China und USA gehe.« (SZ vom 3. Februar 2010) Von den Argumenten der Protestler erfuhr der Leser nichts – und auch nicht, welche Quellen Kornelius für die Ischinger-nahe Erzählung genutzt hatte.
Kornelius konstatierte jedenfalls, dass die Konferenz »an Reibungsfläche verloren« habe, denn: »Im vergangenen Jahr waren lediglich 500 Demonstranten auf der Straße.« Schaut man in die Süddeutsche vom Jahr davor, müssen es aber deutlich mehr gewesen sein: »(…) rund 3.500 Nato-Gegner marschierten laut Polizei am Samstag durch die Innenstadt.« (SZ vom 9. Februar 2009) Während die Gegner auf diese Weise kleingemacht werden, scheint zwischen die Süddeutsche und die Konferenz kein Blatt zu passen. In einer SZ-Beilage, in der prominente Tagungsteilnehmer vorab in Essays und Interviews ihre Sicht auf die Weltsicherheit darlegten, schrieb Stefan Kornelius einleitend: »Diese Beilage der Süddeutschen Zeitung dient (…) als gedruckte Sicherheitskonferenz«, ja sogar »als Katalysator« für die Diskussion über die zukünftige Ausrichtung der Nato (SZ vom 5. Februar 2010).
Unkritische Nähe?
Wer die Süddeutsche als Garant höchster journalistischer Standards schätzt, fragt sich, wo die Neutralität geblieben ist. Allein die geografische Nähe zum Tagungsort kann die kritische Distanz nicht abgeschafft haben – schließlich finden auch die Demos und die alternative Friedenskonferenz in München statt. Zum Verständnis trägt wohl viel eher bei, dass Kornelius zum exklusiven Kreis derer gehört, die zur Sicherheitskonferenz eingeladen werden, im Plenarsaal mit den Mächtigen diskutieren dürfen und auch Zugang zu allen Empfängen am Rande haben – und das seit 2001, jedes Jahr.
Solchen Verflechtungen zwischen den Top-Journalisten deutscher Leitmedien und den Eliten aus Politik und Wirtschaft auf die Spur zu kommen, hatte sich eine Studie am Leipziger Institut für Praktische Journalismus- und Kommunikationsforschung (IPJ) zur Aufgabe gemacht. Für eine Netzwerkanalyse wurden deutsche, ausländische und internationale Organisationen erfasst (wie Vereine, Think Tanks, Stiftungen und nicht-öffentliche Konferenzen), in deren Gremien (wie Vorstand und Beirat) oder auf deren Mitglieder- oder Teilnehmerlisten sowohl mindestens eine Person aus der Journalismus-Elite als auch mindestens ein Mitglied der Politik- oder Wirtschaftselite auftauchten (siehe Methodenkasten 1). Der Grundgedanke war, dass eine gemeinsame Involviertheit in einer Organisation eine Nähe schafft, die zwar nicht zwingend eine persönliche Bekanntschaft sein muss, aber zumindest ein erhöhtes Kontaktpotenzial und gegenseitige Erreichbarkeit darstellt, die außerdem mit geteilten Grundpositionen einhergeht: nämlich dass die jeweilige Organisation legitim und ihr Anliegen relevant ist.
Das Ergebnis: Kontaktpotenzial zu Eliten wurde bei 64 Journalisten festgestellt, das war mehr als jeder Vierte der erhobenen Grundgesamtheit von 219. Es bestanden Verbindungen zu 82 Organisationen, wobei manche Journalisten gleich mehrfach involviert waren. Dabei schälte sich einerseits heraus, dass es regelrechte Journalisten-Magneten gab (Abb. 1): Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos tummelten sich 16 deutsche Top-Journalisten – nicht als Berichterstatter, sondern als vollwertige Teilnehmer (sogenannte »Media Leaders«). Neun Journalisten saßen im Beirat des M 100-Sanssouci-Colloquium, eines jährlichen Treffens von Politik und Medien in Potsdam. Sieben Journalisten nahmen an der Münchner Sicherheitskonferenz teil, fünf waren Mitglieder des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvereins Atlantik-Brücke.
Andererseits fielen mit ihren dichten persönlichen Netzwerken vier Journalisten ins Auge, die vor allem zu außenpolitischen Themen publizieren: Klaus-Dieter Frankenberger, bei der FAZ verantwortlicher Redakteur für Außenpolitik, Josef Joffe, Mitherausgeber der Zeit, Michael Stürmer, Chefkorrespondent der Welt, und der bereits erwähnte Stefan Kornelius von der SZ. Ihre Netzwerke wiesen auffällige Gemeinsamkeiten auf: Bei allen vieren finden sich Organisationen, die sich nicht nur mit Außen- und Sicherheitspolitik beschäftigen, sondern speziell mit der Festigung der transatlantischen Beziehungen, also der Partnerschaft zwischen den USA und Deutschland.
Beispielhaft sei das Netzwerk von SZ-Ressortchef Kornelius dargelegt (Abb. 2). Im Untersuchungszeitraum 2002 bis 2009 nahm Kornelius an der Münchner Sicherheitskonferenz teil, war Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, die Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien vernetzt, und Beirat von deren Zeitschrift Internationale Politik. Er saß im Präsidium der Deutschen Atlantischen Gesellschaft, die Lobbyarbeit für die Nato betreibt; vom American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) in Washington, D.C., wurde er als »frequent contributor to AICGS programs and events« bezeichnet. Außerdem saß er im Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, einem Think Tank des Verteidigungsministeriums. Laut Satzung der Akademie sind deren Beiräte dafür da, die Bundesregierung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen zu beraten – mit der journalistischen Berufsrolle scheint dies nur schwer vereinbar zu sein.
Kornelius dicht vernetzt
Mit welchen Eliten bestand nun – mathematisch gesehen – eine Nähe bzw. gegenseitige Erreichbarkeit? Wie Abb. 3 zeigt, bestand Kontaktpotenzial durch mindestens zwei Organisationen mit 57 Personen, darunter mit zwölf deutschen Politikeliten (wie Bundeskanzlerin Merkel, die Bundesminister Steinmeier, Jung, Westerwelle, Schäuble, zu Guttenberg, Ramsauer), sechs deutschen Wirtschaftseliten (Chrobog/MAN Ferrostaal, Oetker/Bundesverband der Deutschen Industrie, Dornisch/Diehl, Inacker/Metro, Enders/EADS bzw. Airbus, Roland Berger) und zwei US-Wirtschaftseliten. Gleich drei gemeinsame Organisationen teilte Kornelius nicht nur mit den ehemaligen Bundesministern zu Guttenberg und Steinmeier, sondern auch mit Wolfgang Ischinger, dem Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, der zugleich die Regierungsbeziehungen des weltgrößten Versicherungskonzerns Allianz managt – diese Tatsache kann dabei helfen, die eingangs skizzierte Ischinger-freundliche Berichterstattung zu verstehen.
Das Netzwerk von Kornelius weist zu denen seiner Kollegen bei der FAZ (Frankenberger), der Welt (Stürmer) und der Zeit (Joffe) erstaunliche Parallelen auf. Alle vier nahmen an der Münchner Sicherheitskonferenz teil; Joffe und Stürmer waren ebenfalls Mitglieder in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, und deren Organ Internationale Politik haben auch Joffe und Frankenberger beraten. Frankenberger war ebenfalls Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und Joffe stand auch dem American Institute for Contemporary German Studies nahe. Darüber hinaus waren sowohl Frankenberger als auch Joffe Mitglieder der Trilateralen Kommission, einer privaten Organisation, die 1973 von US-Bankier David Rockefeller gegründet wurde und die Eliten aus Nordamerika, Westeuropa und dem asiatisch-pazifischen Raum vernetzt. Joffe und Stürmer waren im bereits erwähnten Verein Atlantik-Brücke involviert.
Elitenkontakt = Elitenmeinung?
Naheliegend ist daher die Frage, ob ähnliche Netzwerke im Elitenmilieu auch ähnliche Meinungen beziehungsweise eine ähnliche publizistische Stoßrichtung nach sich ziehen und ob generell eher elitenkonform oder elitenkritisch argumentiert wird.
Dies wurde anhand eines Themenkomplexes untersucht, in dem es eine Kluft zwischen Elite und Bevölkerung in Deutschland gibt: die Auslandseinsätze der Bundeswehr, speziell Afghanistan, und damit verbunden die Definition des Begriffs »Sicherheit«.
Denn seit Ende des Kalten Krieges wird von euro-atlantischen Eliten ein »erweiterter Sicherheitsbegriff« verwendet, der nicht mehr nur militärische Bedrohungen des eigenen Territoriums fokussiert, sondern alle möglichen Gefahren durch Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Piraterie, Drogen, organisierte Kriminalität, Klimawandel, demografische Entwicklung und Flüchtlingsströme einschließt. Geschützt werden soll nicht mehr nur die territoriale Integrität des eigenen Staates, sondern ebenso seine wirtschaftliche Prosperität, die Versorgung mit Rohstoffen und Energie und kommunikationstechnische Infrastruktur. Dieser erweiterte Sicherheitsbegriff findet sich seit Anfang der 1990er Jahre in allen relevanten Dokumenten und Doktrinen der Bundesregierung, der Nato, der EU und der USA.
Überzeugungsarbeit und Führung
Dass die deutsche Bevölkerung an diese Neudefinition noch nicht gewöhnt ist, sah man zum Beispiel im Mai 2010, als der damalige Bundespräsident Horst Köhler die Auslandseinsätze der Bundeswehr mit wirtschaftlichen Interessen in Zusammenhang brachte. Eine Welle der Empörung schlug ihm entgegen, sowohl aus der Bevölkerung als auch aus der vom Wahlvolk abhängigen politischen Klasse, obwohl er doch nur gesagt hatte, was etwa in den »Verteidigungspolitischen Richtlinien« der Bundesregierung bereits amtlich und damit Elitenkonsens war. Und dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr stehen die Deutschen laut Umfragen mehrheitlich skeptisch gegenüber, die politische Elite steht jedoch mit Ausnahme der Linkspartei geschlossen dahinter.
Wie verhalten sich angesichts dieser Kluft zwischen Elite und Bevölkerung die vier Journalisten? Aus ihrem journalistischen Output der Jahre 2002 bis 2010 wurden für die Forschungsfrage relevante Argumente herausgeschält (siehe Methodenkasten 2). Das Ergebnis: weitgehende Übereinstimmung in umstrittenen Fragen – und Konformität mit dem Elitenkonsens.
Elitärer Sicherheitsbegriff übernommen?
Die Netzwerkgrafik (Abb. 4) zeigt, dass die vier Journalisten große Schnittmengen in ihren Argumenten aufwiesen. Niemand stand gänzlich abseits und benutzte völlig andere Frame-Elemente als die Kollegen. Lediglich drei Frame-Elemente gehörten exklusiv zu nur einem Journalisten; dagegen wurden neun Elemente von allen vieren verwendet und weitere neun immerhin von dreien. Beispiele:
Alle vier Journalisten gingen explizit auf den Begriff Sicherheit ein und sagten, dass er breiter geworden ist oder breiter gesehen werden muss (Frame-Element »erweiterter Sicherheitsbegriff«). Beispiel von Stefan Kornelius: »Die Finanzkrise und die Energiedebatte haben gezeigt, dass Sicherheit eigentlich ein breiter Begriff ist.« (SZ vom 3. Februar 2010). Beispiel von Frankenberger: »Und nach den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien wird die Sicherheit Deutschlands auch am Hindukusch verteidigt, der traditionelle geographische Sicherheitsbegriff also globalisiert und ausgeweitet. Dass die traditionellen Beschränkungen aufgegeben wurden, ist richtig; sie waren obsolet geworden, weil die Umstände sich fundamental geändert haben.« (FAZ vom 24. Mai 2003)
Alle vier erwähnen einen Katalog von Bedrohungen, wie er ähnlich in den offiziellen Dokumenten von Bundesregierung, EU, Nato und USA vorkommt (Frame-Element »Bedrohungskatalog«). Frankenberger: »Diese Gefahren und Herausforderungen reichen vom Terrorismus über die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen über Energie und Klimawandel bis zu Cyberangriffen, wirtschaftlicher Instabilität und Pandemien.« (FAZ vom 8. Februar 2010) Joffe: »Von den ‚globalen Herausforderungen’ gibt es, weiß Gott, genug: vom Klima bis zur Armut, vom Terrorismus bis zur Atomrüstung jener, die sich nicht durch besondere Verantwortung auszeichnen.« (Zeit vom 15. Februar 2007)
Einig sind sich alle vier, dass Deutschland die transatlantischen Beziehungen pflegen muss, um den Bedrohungen angemessen begegnen zu können (Frame-Element »Bündnis mit USA pflegen!«). Kornelius: »Wer nach der Alternative zur Nato Ausschau hält, der wird schnell enttäuscht werden: Es gibt keine bessere.« (SZ vom 8. Februar 2008) Frankenberger: »Als atlantische Gemeinschaft lassen sich die Turbulenzen der neuen multipolaren Welt allemal besser aushalten. Nur in dieser Kombination können die vielfältigen Herausforderungen gemeistert werden.« (FAZ vom 5. November 2006)
Angesichts der Tatsache, dass die Deutschen mehrheitlich skeptisch gegenüber Nato-Militäreinsätzen, insbesondere dem in Afghanistan, eingestellt sind, fordern alle vier die deutsche Politik zu verstärkter Überzeugungsarbeit und mehr Führung auf (Frame-Element »Volk überzeugen!«). Frankenberger: »Den Meinungskampf an der Heimatfront darf die Politik nicht scheuen, wenn sie von dem überzeugt ist, was sie vorgibt. (…) Der Kampf um die ‚hearts and minds’ muss auch bei uns geführt werden.« (FAZ vom 7. Januar 2008) Joffe: »Alle Politik muss den Wählerwillen respektieren. Aber das Grundgesetz verbietet es den Regierenden nicht, für das außenpolitisch Gebotene zu werben.« (Zeit vom 7. Februar 2008)
Journalisten eingebunden in das Elitenmilieu
Fazit: Die Netzwerke im Elitenmilieu haben augenscheinlich eine Entsprechung in den Meinungsbildern der Journalisten. Allerdings kann mit dem vorliegenden Untersuchungsdesign nicht nachgewiesen werden, dass es einen kausalen Zusammenhang gibt, sprich: dass sich die Meinung der Journalisten an die Meinung in der sozialen Umgebung angepasst hat.
Möglich ist auch, dass die Netzwerke überhaupt erst entstanden sind, weil die Journalisten bereits elitenkompatible Ansichten hatten, oder eine Kombination aus beidem: Journalisten werden von Politik- und Wirtschaftseliten nur dann kooptiert, wenn sie keine allzu kritischen Einstellungen aufweisen, und die Einbindung in das Elitenmilieu macht es immer unwahrscheinlicher, dass ein Konsens unter Eliten hinterfragt wird.
Den vier Journalisten wurde die Studie zur Kenntnis gegeben, verbunden mit der Einladung, ihre Sicht der Dinge in separaten Beiträgen für die Buchveröffentlichung darzustellen. Alle vier haben abgelehnt.
Methodik 1: Netzwerkanalyse und Elitebegriff
Für die Netzwerkanalyse wurde die soziale Umgebung des redaktionellen Führungspersonals deut- scher Leitmedien unter die Lupe genommen. Als
Leitmedium wiederum galten hier Medien, die über- durchschnittlich häufig von Journalisten wahrgenommen werden, das heißt eine Leitfunktion in der eigenen Branche haben. Laut der letzten repräsentativen Journalistenbefragung in Deutschland (Weischenberg/Malik/ Scholl) wurden im Jahr 2005 folgende Printtitel und TV-Nachrichtensendungen am häufigsten genutzt: Süd- deutsche Zeitung, Der Spiegel, ARD-Tagesschau, Frankfurter Allgemeine Zeitung, ARD-Tagesthemen, Die Zeit, Bild, ZDF heute journal, taz, Stern, Focus, Die Welt, Frankfurter Rundschau, Financial Times Deutschland, n-tv-Nachrichten und ZDF heute. Ergänzend wurden die Online-Medien spiegel.de, sueddeutsche.de, tages- schau.de, bild.de und welt.de, da sie laut einer anderen Journalistenbefragung von 2007 (Machill/Beiler/Zenker) ähnlich stark genutzt wurden.
Von diesen Medien wurden die Personen ermittelt, die zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. Dezem- ber 2009 folgende Positionen innehatten: bei Print- und Onlinemedien Chefredakteur, Chef vom Dienst, Res- sortleiter Politik und Wirtschaft (oder ähnlich genannter Ressorts), Leiter des Hauptstadtbüros und die jeweiligen Stellvertreter sowie Herausgeber (wenn nicht zugleich Medieneigentümer); bei TV-Sendungen Intendant des Senders, Chefredakteur, Leiter der Hauptredaktion, Redakti- onsleiter der Sendung und Leiter des Hauptstadtstudios des Senders sowie die Stellvertreter. Aus den Impressen der Zeitungen und Websites sowie den Jahrbüchern von ARD und ZDF wurden insgesamt 219 Personen ermittelt.
Und wer ist Elite in Politik und Wirtschaft? Als deutsche Politikeliten galten hier die Inhaber von Führungspositio- nen in Parlamenten, Regierungen, Parteien, Ministerien und großen Behörden auf den Ebenen von Bund und Län- dern; als Wirtschaftseliten galten Personen mit Führungs- oder Aufsichtsfunktion (in der Regel: Vorstände und Auf- sichtsräte) in Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 1 Milliarde Euro (bei Banken die Bilanzsum- me) sowie die Leiter der wichtigsten Wirtschaftsverbände. Ergänzt wurde die Auswahl um äquivalente Führungspo- sitionen in anderen Staaten und auf transnationaler Ebene (International Government Organizations wie EU, Nato, Uno, Weltbank, IWF, WTO) sowie um Vertreter von PR und Lobbyismus, sofern sie eindeutig im Dienst der oben definierten Eliten stehen.
Der Untersuchungszeitraum, in dem die gemein- same Involviertheit von Journalisten und Politik- oder Wirtschaftseliten in einer Organisation liegen konnte, erstreckte sich vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezem- ber 2009. Die Hauptquelle der Informationen war das World Wide Web, wobei nur Primärquellen verwendet wurden. Eine Reihe von Organisationen wurde darüber hinaus um Mitglieder- oder Teilnehmerlisten angefragt – nicht immer mit Erfolg.
Literatur:
- Machill, Marcel/Beiler, Markus/Zenker, Martin (2008): Journalistische Recherche im Internet. Bestandsaufnahme journalistischer Arbeitsweisen in Zeitungen, Hörfunk, Fernsehen und Online. Berlin: Vistas.
- Weischenberg, Siegfried/Malik, Maja/Scholl, Armin (2006): Die Souffleure der Mediengesellschaft. Report über die Journalisten in Deutschland. Konstanz: UVK.
Methodik 2: Frame-Analyse
Mit Hilfe der Datenbank Genios wurden alle Artikel der vier Journalisten zwischen dem 4. Dezember 2002 (dem Tag, als Verteidigungsmi- nister Peter Struck erstmals sagte, die Sicherheit Deutsch- lands werde auch am Hindukusch verteidigt) und dem 30. September 2010 ermittelt, die mindestens zwei der folgenden fünf Begriffe aufwiesen: *sicherheit (d.h. Sicher- heit, Rohstoffsicherheit, Energiesicherheit usw.); verteidig* (Verteidigung, verteidigen usw.); krieg* (Krieg, Kriege usw.); fried* (Frieden, friedlich usw.); milit* (Militär, mili- tärisch, militaristisch usw.). Aus der Treffermenge wurden alle Artikel aussortiert, die keinen Bezug zur deutschen oder europäischen Außen- und Sicherheitspolitik hatten, die zusammen mit Koautoren verfasst wurden sowie alle von den Autoren geführten Interviews. Übrig blieben 83 Artikel, die meisten davon Kommentare und Leitartikel.
In diesen Texten wurde nach Argumenten (Frame- Elementen) gesucht, die in Bezug zur Forschungsfrage stan- den. Diese wurden induktiv-qualitativ bestimmt, d.h. aus einer Stichprobe wurden durch offenes Kodieren relevante Textstellen herausgeschrieben, auf die Forschungsfragen rückbezogen und verdichtet. Argumente wurden nur kodiert, wenn sie der Autor des Artikels selbst aktiv ver- trat, d.h. wenn er sie entweder im Indikativ, ohne Verweis auf eine Quelle, vorbrachte oder wenn er einen anderen Akteur damit zitierte und dann deutlich machte, dass er damit einverstanden ist. Auf diese Weise wurden 23 Frame-Elemente herausgeschält.
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