Elitejournalismus
Nachgefragt: Lauter Elitejournalisten in Europa?

Auf andere herabblicken? Elite-Journalismus hat auch mit Selbstpositionierung und Abgrenzung gegen andere zu tun. Gibt es einen solchen Gestus im europäischen Ausland? Message fragt ausländische Journalisten.

Journalismus in den Niederlanden ist zu einem Beruf mit starker Rotation geworden. Das bedeutet, dass Journalisten selten lange genug an einer Stelle bleiben, um »eingesaugt« zu werden und »Elite-Journalisten« zu werden. Das macht die Niederlande jedoch hoffentlich nicht zu einem Exoten. Erfahrene Reporter teilen ihr Wissen mehr und mehr, während sie an Journalisten-Schulen unterrichten. Junge Reporter haben andere Fähigkeiten, die ihnen zu Jobs verhelfen. Obwohl es nicht immer einen gesunden Mix zwischen den jungen und den etablierten Journalisten in den Massenmedien gibt, den wir gerne sehen würden, hat »Elite-Journalismus« noch keine Wurzeln in der eher egalitären Gemeinschaft der holländischen Journalisten geschlagen.

Marcella Smit ist Vorsitzende der »Vereniging van Onderzoeksjournalisten« (VVOJ) für investigativen Journalismus in den Niederlanden.

Geht es nach dem Mann auf der Straße, sind Journalisten so etwas wie Abfall. Die Reputation dänischer Journalisten im Allgemeinen liegt am Boden. Nur Politiker sind schlechter angesehen. Das Gefühl, zu einer Elite zu gehören, gibt es nicht, selbst wenn man – wie ich – für die führende dänische Tageszeitung arbeitet. Wann immer man andere Menschen trifft, sei es bei einer Familienfeier oder anderen privaten Anlässen, muss man seine Branche verteidigen.

Vielleicht kann man aber Eliten an ihrem Gehalt erkennen: Frühere Reporter etwa, die heute als »Spin Doctors« für die Regierung arbeiten, verdienen oftmals mehr als ihre Vorgesetzten. Und mit einem Durchschnittsgehalt von 500.000 dänischen Kronen (ca. 80.000 Euro) zählt ein Reporter in Kopenhagen zum einkommensstärksten Zehntel der Gesellschaft.

Doch ich sehe einen anderen, viel interessanteren Aspekt. Einige Jahre lang haben dänische Medienforscher alle dänischen Nachrichten in jeweils einer Woche untersucht. Das Resultat ist eindeutig: Von 70.000 nachrichtlichen Berichten in Zeitungen, im Radio und Fernsehen waren nur 50 Prozent wirklich neu – der Rest war »Copy and Paste«. Und von den wirklichen Neuigkeiten stammten 70 Prozent aus den dänischen Qualitätszeitungen. Wenn man die Hauptabendnachrichten im Fernsehen verfolgt oder einen ganzen Tag lang Radio hört, begegnen einem Nachrichten, Analysen, Interviews und investigative Reportagen aus Jyllands-Posten, Berlingske und Politiken sowie aus kleineren landesweiten Zeitungen wie Information, Börsen und Kristeligt Dagblad.

Das bedeutet: Die wenigen hundert Reporter und Redakteure, die für diese Medien arbeiten, sind tatsächlich eine Elite, insofern sie die Themen bestimmen, die in der gesamten dänischen Gesellschaft diskutiert werden.

Henrik Kaufholz ist stellvertretender Leiter des Auslandsressorts bei Politiken in Kopenhagen.

Viele Journalisten suchen die Nähe zu Prominenten, besonders zu Politikern und Filmstars. In Frank­reich zählen die einflussreichen Journalisten selbst zu diesen Promis und tauchen regelmäßig in den bunten Blättern auf. In seiner Studie »Die Elite der Journalisten – Die Herolde der Information« stellte Rémy Rieffel fest, dass diese »Herolde« häufig die gleichen Elite-Schulen besucht haben wie die, über die sie berichten. Sie sind Bestandteil von Frankreichs herrschender Kaste. Und man bleibt gerne unter sich. Es gibt eine ganze Reihe bekannter Reporterinnen, die mit Politikern verheiratet sind oder zusammenleben. So ist es nicht unüblich, dass unter den handverlesenen Reportern bei Pressekonferenzen des Staatspräsidenten Ehefrauen von aktuellen Kabinettsmitgliedern zu finden sind. Bestes Beispiel ist Valérie Trierweiler, die Lebensgefährtin von Präsident François Hollande, die gegen Berichterstattung über ihre Person vorgeht und sich in politische Ereignisse einmischt, statt darüber zu berichten.

Das überbordende Problem ist, dass sich die journalistische Elite des Landes stärker mit dem Gegenstand ihrer Berichterstattung, den Politikern, identifiziert, als dass ihr daran gelegen wäre, diese zur Verantwortung zu ziehen. Bis auf wenige Ausnahmen kamen alle Enthüllungen über Machtmissbrauch der vergangenen 30 Jahre von Journalisten, die nicht zu dieser Elite gehören.

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