Frauen im Journalismus
Mutter und Journalistin
Und es gibt sie doch: Mütter, die erfolgreich im Journalismus arbeiten. Drei von ihnen – eine freie Journalistin, eine NDR-Autorin und eine Chefredakteurin – erzählen, wie das trotz aller Hindernisse klappt.
Viele Frauen schaffen den Drahtseilakt: Muttersein und dennoch als Journalistin arbeiten. Wie viele Frauen diesen Spagat gar nicht erst wagen, ist schwer zu sagen. Sicher ist, dass von Journalistinnen Qualitäten gefordert werden, die mit Kindern nicht immer konstant abrufbar sind: Unabhängigkeit, Flexibilität und ständige Einsatzbereitschaft. Seinerseits steht der journalistische Beruf häufig für unsichere Einkommen von Freien, die Krise auf dem Zeitungsmarkt und riesigen Konkurrenzdruck unter Journalistinnen. Zusammengenommen hilft das alles nicht gerade bei der Entscheidung für Kinder. Mag sein, dass aus diesem Grunde immer wieder Journalistinnen den Job wechseln, nach dem Mutterschutz und der Elternzeit einfach nicht mehr zurückkommen oder in die angeblich einfachere PR-Branche wechseln. Diejenigen, die im Journalismus bleiben, können dies oft nur mit einem funktionierenden Netzwerk aus Partner, Familie und bezahlter Kinderbetreuung leisten. Message hat die Journalistinnen Vera Schroeder, Alexandra Frank und Verena von Ondarza gebeten, dazu ihre persönlichen Erfahrungen zu schildern:
Es macht mir riesengroßen Spaß, Journalistin zu sein. Und es macht mir riesengroßen Spaß, eine Familie zu haben. Dass sich beides bei mir so gut vereinbaren lässt, ist ein wahres Geschenk und keine Selbstverständlichkeit.
Der große Tomi Ungerer hat gesagt, in seinem Leben hätten ihm drei Dinge zum Erfolg verholfen: Enthusiasmus, Pragmatismus und Disziplin. Ich glaube, diese drei Eigenschaften helfen auch sehr, wenn man Kinder und Job unter einen Hut bekommen will. Job und Familienleben müssen einem so viel Spaß machen, dass man in beiden Rollen mit Herzblut zu Hause ist. Den Pragmatismus braucht man, um jederzeit akzeptieren zu können, dass selbstverständlich immer auch einiges zu kurz kommt. Und fleißig muss man natürlich auch sein.
Für mich persönlich sind außerdem mein Mann und meine Mutter der Grund dafür, dass ich so arbeiten kann, wie ich es möchte. Mein Mann und ich teilen uns die Familienzeit schon immer genau zur Hälfte. Nach der Geburt meines jüngsten Sohnes im vergangenen Februar war ich erst drei Monate zu Hause, jetzt kümmert sich für sieben Monate tagsüber mein Mann um ihn. Nach Weihnachten kommt das Kind dann in die Krippe und wir gehen beide wieder arbeiten. Meine Mutter springt ein, wenn ein Kind krank wird. Diese Spontaneität, um sechs irgendwo anzurufen und um acht eine super Oma daheim zu haben, ist unbezahlbar und von keinem Kindermädchen der Welt zu leisten.
Engagierte Eltern arbeiten konzentrierter
Als Chefin arbeite ich sehr gerne mit Müttern und Vätern zusammen, gerade weil sie noch einen anderen großen Fokus in ihrem Leben haben neben dem Job. Engagierte Eltern arbeiten sehr konzentriert, schaffen also viel weg, sie sind angenehm gelassen und können in ihrer Arbeit gut priorisieren – womit wir wieder bei Tomi Ungerer wären.
Ich halte nicht viel von all den unterschiedlichsten familienpolitischen Leistungen, die wir in Deutschland haben. Ich finde die vielen Zahlungen mit allen möglichen, sich zum Teil widersprechenden Absichten, verwirrend und oft fehlgeleitet. Viel besser im Sinne der Vereinbarkeit (und auch der sozialen Gerechtigkeit) wären umfassende kostenfreie und gute Betreuungsangebote für Kinder aller Altersstufen und über den ganzen Tag. Und die Akzeptanz einer Wochenarbeitszeit von etwa 30 bis 35 Stunden für Männer und Frauen, dann bliebe beiden auch genug Zeit für die Familie. Weniger Präsenzkultur, mehr Zutrauen in Arbeitnehmer, dass sie ihre Arbeit in sechs Stunden am Tag schon hinbekommen, mehr Vertrauen und positive Motivation – im Journalismus müsste das unbedingt möglich sein, in vielen anderen Branchen sicher auch.
Dass ich an den meisten Tagen um 17 Uhr aus dem Büro nach Hause gehen kann, war die allererste Grundvoraussetzung, die ich dem Verlag verkündet habe, bevor es mit den Verhandlungen um den Chefredaktionsposten überhaupt erst losging. Hätten sie mir das damals nicht zugestanden, hätte ich den Job nicht gemacht.
Karrierehemmnis Elternzeit
Ich glaube, dass es für Frauen und Männer wichtig ist, Familienpläne und Karriereziele einigermaßen aufeinander abzustimmen – und das, was einem wichtig ist, einzufordern. Dabei muss man natürlich auch einen realistischen Blick für die Berufswelt, in der man sich bewegt, einbeziehen. Denn genauso wie kein Mann eine steile Karriere macht, während er in fünf Jahren drei Kinder bekommt und jeweils volle zwölf Monate Elternzeit nimmt, ist das natürlich auch für Frauen nicht möglich.
Wer tatsächlich nur 15 Stunden in der Woche arbeiten möchte, ist, Mann wie Frau, in dieser Zeit für bestimmte Verantwortungsjobs nicht geeignet. Man muss sich heute als Frau und als Mann ganz sicher nicht mehr zwischen Familie und Karriere entscheiden. Aber man muss auf beiden Seiten ganz bestimmt Abstriche machen. Es macht Sinn, darüber ab und an nachzudenken und die Weichen entsprechend zu stellen.
Ach ja, noch etwas finde ich wichtig: Mut zum Unperfekten. Ich habe nicht den Anspruch an mich, immer eine perfekte Mutter oder eine perfekte Chefin zu sein. Aber ich versuche, eine gute Mutter und eine gute Journalistin zu sein. Das muss reichen.
Vera Schroeder ist Chefredakteurin der Magazine Neon und Nido. Sie besuchte die Deutsche Journalistenschule und studierte Journalismus in München. Sie lebt mit ihrer Familie (Mann und zwei Kinder) in München.
Nein«, schnaufte die Frau im Geburtsvorbereitungskurs neben mir. »Mein Mann wird keine Elternzeit nehmen. Als freier Journalist kann er Kind und Arbeit nicht so einfach kombinieren.« Auch ich musste schnauben. Aber nicht, weil mein Atem kurz wurde. Ich bin freie Journalistin. »Na toll«, dachte ich und hielt meinen dicken Bauch fest, »das sind ja rosige Aussichten«.
Heute komme ich nicht so schnell aus der Puste, und einen dicken Bauch habe ich auch nicht mehr. Dafür zwei Kinder und einen Job, der mir Spaß macht. Sehr gerne würde ich die Mutter aus dem Geburtsvorbereitungskurs einmal wieder treffen, um ihr zu sagen: Arbeit und Kinder kann man wunderbar miteinander vereinbaren – gerade wenn man frei ist.
Denn das Schöne daran ist, dass man flexible Arbeitszeiten hat und sich den Arbeitsplatz aussuchen kann. An den Tagen, an denen mein Mann nachmittags die Kinder hütet, gehe ich ins Büro, um mich besser konzentrieren zu können. Hole ich sie vom Kindergarten ab, arbeite ich vorher am heimischen Schreibtisch, um mir weite Wege zu sparen und meine Zeit effektiver zu nutzen.
Mein Mann ist fest angestellt und arbeitet in einer ganz anderen Branche. Das klassische »Er-arbeitet-sie-hütet-die-Kinder«-Modell kam für uns nicht in Frage. Wir haben uns die Elternzeit geteilt und wechseln uns heute mit der Nachmittagsbetreuung ab. Ist ein Kind krank, bleiben mal er und mal ich zu Hause.
Wichtige Unterstützung durch den Ehemann
Dass wir beide rund 35 Stunden arbeiten können, ohne dass unsere Kinder bis abends in der Kita ausharren müssen, haben wir der Gleitzeit meines Mannes und meiner Selbstständigkeit zu verdanken. Denn – das weiß ich von festangestellten Journalisten – in den Medien mangelt es leider oft an flexiblen Zeitmodellen, die es Eltern ermöglichen, auf eine halbwegs annehmbare Stundenzahl zu kommen und trotzdem nachmittags regelmäßig für ihre Kinder da zu sein. Das gilt vor allem dann, wenn man irgendwo neu einsteigen möchte.
Nachtarbeit und Spielnachmittage
Mir steht es hingegen frei, an manchen Tagen schon mittags Feierabend zu machen und mich stattdessen abends noch einmal an den Rechner zu setzen. Manchmal schicke ich auch die Familie für ein Wochenende zu den Großeltern, um in Ruhe einen langen Text zu schreiben. Dafür geht es dann an einem warmen Sommertag mit den Kindern ins Freibad statt ins Büro. Das erzähle ich natürlich nicht meinen Ansprechpartnern in den Redaktionen. Dort kündige ich einen Spielplatznachmittag als »wichtiges Interview« an, weshalb ich leider mein Mobiltelefon ausschalten müsse.
Viele meiner Auftraggeber wissen nicht einmal, dass ich Kinder habe. Ich finde, dass mein Privatleben nichts mit der Qualität meiner Arbeit zu tun hat und meine Kunden deshalb auch nichts angeht.
Das heißt aber nicht, dass ich sie verleugnen würde. In einigen Bereichen kann es sogar nützlich sein, zu erwähnen, dass man Kinder hat. Schon bevor meine Töchter auf die Welt kamen, habe ich unter anderem im Reisejournalismus gearbeitet. Das mache ich auch heute noch. Aber um nicht ständig wochenlang ohne meine Familie unterwegs zu sein, konzentriere ich mich nun eher auf Kurztripps oder schreibe über Reisen, die wir mit der Familie unternommen haben. Das hat mir einige neue Kunden eingebracht.
Ansonsten hat sich meine Arbeit nicht wesentlich verändert. Lustigerweise habe ich nach der Geburt meiner ersten Tochter sogar mehr verdient als vorher. Und habe mich mit zwei Kindern dazu entschlossen, einen langjährigen Kunden aufzugeben, um ein neues Projekt in Angriff zu nehmen. Aber höchstwahrscheinlich hat das gar nichts damit zu tun, dass ich Mutter geworden bin, sondern gehört einfach zum Freiendasein dazu.
Alexandra Frank arbeitet seit mehr als zehn Jahren als freie Journalistin. Über den alltäglichen Wahnsinn zwischen Job und Familie bloggt sie unter »Frau Sisyphos«: http://sisyphos.alexandrafrank.de. Das Thema Reisen mit Kindern hat sie unter »4 um die Welt« aufgegriffen: http://alexandrafrank.lemonhead.de.
Als meine Tochter drei Jahre alt war, sagte sie einmal zu meinem Mann, als ich mal wieder am Wochenende im Schnitt saß: »Wenn ich groß bin, werde ich eine Frau, gehe arbeiten und mein Mann liegt auf dem Sofa und kocht mir abends mein Essen.« Ein gutes Rollenvorbild, dachte ich damals. Auch wenn die Wahrnehmung meiner Tochter nicht ganz stimmte. Wir arbeiten beide: Mein Mann als festangestellter Ingenieur und ich als freie Journalistin mit Rahmenvertrag beim NDR.
Meine Kinder – inzwischen haben wir zwei – waren auf dem Weg dahin zwar manchmal ein Stolperstein aber nie eine Hürde. Ein bisschen verdanke ich meine Karriere sogar meiner Tochter. Sie wurde im letzten Drittel meines Studiums geboren. Die letzten Scheine machte ich mit ihr im Tragetuch. Und während ich im Vorstellungsgespräch für das Volontariat beim NDR saß, war meine Tochter ein knappes Jahr und schon ein eingewöhntes Kita-Kind. Später sagte man mir, dass mir auch diese Tatsache die Türen des NDR geöffnet hatte. Man war wohl beeindruckt davon, dass ich mir trotz Kind ein Volontariat zutraute, bei dem man theoretisch 18 Monate lang durch ganz Norddeutschland geschickt werden kann.
Die größte Schwierigkeit ist sicher die, dass weder der Alltag mit Kindern noch der im Journalismus zuverlässig planbar sind. Kinder werden krank, bekommen Läuse oder schlagen sich das Kinn auf und müssen genäht werden – und zwar zuverlässig dann, wenn man gerade auf dem Weg zu einem Dreh ist oder im Schnitt sitzt. Ein Abbruch eines Drehs kostet schlicht Geld. Den Sender, der einen Produktionstag zahlen muss, den er nicht nutzt – und mich, die ich dadurch nur einen Bruchteil meines Honorars bekomme.
Ein Partner, der Verantwortung übernimmt
Ich habe bis heute keinen einzigen Produktionstag wegen meiner Rolle als Mutter kurzfristig abgesagt. Dafür braucht man Organisationstalent, Kinder, die akzeptieren, dass einer Phase mit viel freier Zeit eine Phase mit verdichteter Arbeit vorausgehen muss, und einen Partner, der genau an solchen Tagen alleine die Verantwortung übernimmt.
Ich arbeite für ein wöchentliches Magazin. Meine Beiträge sind recht vorbereitungs- und rechercheintensiv. Das bedeutet aber auch, dass sich die reinen Produktionstage auf maximal sieben im Monat beschränken. Die Produktionstage sind lang und erfordern manchmal Opfer von meiner Familie. Aber an allen anderen Tagen, und die sind in meinem Fall in der Mehrzahl, kann ich meinen Zeitplan bestimmen.
In meiner Redaktion sind die meisten Kollegen Eltern. Das allein schafft schon ein familienfreundliches Umfeld. Jeder hier hat mal ein krankes Kind und arbeitet von zu Hause oder bringt seinen angeschlagenen Nachwuchs mit in die Redaktion. Wenn die städtischen Kitas Betriebsversammlung haben, muss man das auch niemandem erklären, weil der Termin nicht nur in meinem Kalender steht. Und wenn ich doch einmal so disponiert werde, dass es gerade nicht zur arrangierten Betreuung passt, kann ich mir sicher sein, dass wir gemeinsam nach einer Lösung für dieses Problem suchen.
Rein rational betrachtet ist mein Leben mit Job und Kindern oft unfassbar stressig und aufreibend – aber das Leben und Arbeiten mit Kindern lässt sich zum Glück nicht rein rational fassen. Meine Kinder sind faszinierende Persönlichkeiten, die zu hundert Prozent füreinander einstehen. Es verrät mir viel über uns Menschen, meine Kinder dabei zu beobachten wie sie Freundschaften schließen, Konflikte lostreten und lösen. Ich glaube und hoffe, dass es meine Kinder stark macht, dass sie Eltern haben, die ihren Job lieben. Und ich weiß, dass es mich persönlich und auch beruflich voranbringt, dass ich sie dabei beobachten kann, wie sie groß werden.
Verena von Ondarza Jahrgang 1979, zwei Kinder, Studium der Volkswirtschaftslehre in Hamburg und Berlin. Volontariat beim NDR 2007. Anschließend freie Fernseh-Journalistin bei den Redaktionen Wirtschaft und Ratgeber (Markt, Plusminus und Verbraucher-Dokus).
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