Bakschisch-Journalismus
Die neue Sachlichkeit

Motorjournalisten stehen unter dem Generalverdacht der Bestechlichkeit. Ein Betroffener wehrt sich und erzählt von Veränderungen in der Geschenkekultur der Autokonzerne.

von Uwe Gabler

Von allen Journalistengattungen stehen Motorjournalisten (neben ihren Kollegen aus den Mode- und Reise-Ressorts) wohl am stärksten unter dem Generalverdacht der Bestechlichkeit. Annehmlichkeiten auf Automobil-Präsentationen in südlichen Ländern und luxuriöse Geschenke, so das gängige Vorurteil, würden ihren kritischen Blick auf die neuen Modelle massiv trüben. Diese Behauptung hat viel mit Unkenntnis zu tun.

Was die Autojournalisten sich ständig anhören müssen, hat seine Wurzeln in jenen Zeiten, als die Autoindustrie sich nach 1945 daran machte, in Wolfsburg statt Kübelwagen fürs Militär den Käfer zu bauen. Wenn die Journalisten zur Berichterstattung eingeladen wurden und eine warme Mahlzeit erhielten – die Not war groß und beleibte Journalisten gab es erst später – war dies wohl kaum ein Bestechungsversuch, sondern schlichte Gastfreundschaft. So beschrieben es jedenfalls in den 70er Jahren die alten Hasen, zu denen wir aufsahen, vor allem weil es so verdammt gute Journalisten waren.

Gutbürgerliche Gastronomie

Mit dem Wirtschaftswunder stieg die Qualität der Restaurants, doch als Bestechungsversuch wurden nicht einmal Fünf-Gänge-Menüs empfunden. Die Fahrberichte wiesen gnadenlos auf jede Schwäche hin, und in diesen Zeiten hatten die bescheidenen Autos noch jede Menge davon.

Ein paar Jahre später fasste der Motorjournalist Günter Hendrisch seine ihm eigene Unbestechlichkeit in einem ironischen Spruch zusammen: »Klar sind wir Journalisten bestechlich, doch man weiß nicht, was wir hinterher schreiben.«

Die Autoindustrie boomte und wurde zur Lokomotive des Wohlstandes in Deutschland und Europa; gleichzeitig stiegen auch Anzahl und Qualität der Presseveranstaltungen. Die wurden entweder am Standort der Unternehmen abgehalten, wenn es um Wirtschaftsthemen ging, oder in Gegenden, wo es Platz und schöne Landschaft zu Probefahrten gab, wenn neue Automobile vorgestellt werden sollten. Der gastronomische Standard war gutbürgerlich, denn die Finanzmanager der Autoindustrie haben immer schon auf die Kosten geachtet.

Blankoscheck von Chrysler

Doch dass Motorjournalisten irgendwann mit Bakschischempfängern gleichgesetzt wurden, lag an dem Spiegel-Reporter Ferdinand Simoneit. In seinem Buch »Indiskretion Ehrensache«, erschienen im Jahr 1985, schrieb er: »Ich hatte am Vorabend der IAA im September 1967 mit dem Chrysler-Generaldirektor Townsend im Schlosshotel Kronberg geplaudert und erhielt von einem kleinen Chrysler-Mann als Digestif einen Umschlag, den ich achtlos einsteckte und ihn erst am nächsten Tag in der Spiegel-Redaktion Düsseldorf besah. Es war ein Scheck ohne Datum und Betrag.« Der Pressemann von Chrysler hatte auf Anfrage erklärt, der Scheck (der nie eingelöst wurde) sei dafür gedacht, die entstandenen Reisekosten zu ersetzen.

Die Grenzen sind fließend

Gastgeschenke sind zweifellos ein Teil der abendländischen Kultur. Einem Journalisten ein Moleskine-Notizbuch samt Bleistift mit auf die Heimfahrt von einer Automobilpräsentation zu geben, passt zum Thema und weckt keinen Neid bei den Kollegen aus der Politik- oder Wirtschaftsredaktion, die nur selten mal rauskommen. Eine Flasche Wein, ein nicht allzu edles Kugelschreiber-Set, ein Stück Seife aus Nizza oder eine Salami aus Milano dürften ebenfalls keine Gewissensnöte hervorrufen. Schwieriger wird es dann schon bei Lederjacken und Armbanduhren.
Fairerweise muss man sagen, dass …

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