Forschung
Discount für die Unbestechlichen
Die Mehrheit der deutschen Journalisten nutzt Presserabatte. Und der DJV handelt sie sogar selbst aus. Erstmals beschreibt eine Studie den Umgang mit den umstrittenen Ermäßigungen.
von Dominik Stawski
Der Presseausweis ist ein Berufsinstrument. Er soll Journalisten bei der Recherche helfen, zum Beispiel wenn sie Auskünfte von Behörden verlangen. Dass der Presseausweis auch als Rabattmarke taugt, ist unter Journalisten bekannt, ihr Publikum aber weiß kaum etwas darüber. Vor allem in Internetforen streiten Journalisten über das Für und Wider der Rabattpraxis. Wie die Journalisten als gesamte Berufsgruppe über Rabatte denken, blieb bislang ungeklärt. Erstmals beschäftigte sich nun eine wissenschaftliche Studie mit dem Thema.
Die deutschlandweite Befragung von Tageszeitungsjournalisten zeigt, dass die Mehrheit der Journalisten (74 Prozent) schon einmal einen Presserabatt genutzt hat. Die Frage, ob die Annahme solcher Rabatte für Journalisten problematisch sei, spaltete die Journalisten in zwei annähernd gleich große Lager. Die Gegner der Rabatte sehen die Unabhängigkeit der Presse bedroht, die Verteidiger halten dagegen, dass sich keiner so leicht korrumpieren ließe. Wenig Einigkeit herrscht auch darüber, ob es sinnvoll sei, die Rabatte abzuschaffen.
Die Pressechefs verschiedener Unternehmen schilderten in Leitfadeninterviews, wie einige Journalisten bewusst ihre Macht ausnutzten, um Rabatte bei Unternehmen auszuhandeln.
30.000 Journalistentickets bei Air Berlin
Als wichtige Quellen für Rabattnutzer dienen Internetseiten wie www.presse-konditionen.de und www.journalismus.com, die über das Angebot an Presserabatten informieren. Beide Webseiten listen mehr als tausend Rabatte aus unterschiedlichen Branchen auf.
Zu den bekanntesten Preisnachlässen gehören die Vergünstigungen der Autohersteller, der Reiseanbieter und der Flugunternehmen. Air Berlin beispielsweise erlässt Journalisten bis zur Hälfte des Preises. Im Jahr 2007 wurden nach Angaben der Fluglinie mehr als 30.000 Tickets zu Sonder-konditionen gebucht. Unter den Anbietern finden sich auch Singlebörsen, Möbelhäuser, Optiker und Weinhändler. Die Höhe der Rabatte variiert stark. In manchen Fällen können Journalisten viel Geld sparen, in anderen sind Sonderangebote im Handel günstiger.
Professionalisierter Markt
Die Online-Datenbanken werden ständig aktualisiert, sie enthalten auch Empfehlungen anderer Nutzer. Die Journalisten können sich für spezielle Newsletter eintragen, die sie regelmäßig über die neuesten Rabattangebote informieren. Der Newsletter von www.presse-konditionen.de hat nach Angaben des Betreibers mehr als 18.000 Abonnenten.
Der Markt um Presserabatte hat sich derart professionalisiert, dass einige Unternehmen spezielle Journalistenhotlines anbieten, Personal für die Abwicklung der Rabatte engagieren und auf Journalisten zugeschnittene Serviceseiten im Internet anbieten.
Die Befragung zeigte, dass drei Viertel der Tageszeitungsjournalisten schon einmal einen Presserabatt genutzt haben. So hat beispielsweise jeder Dritte (34 Prozent) schon einmal ein Auto zu speziellen Journalistenkonditionen gekauft. 31 Prozent der Befragten besitzen einen vergünstigten Handytarif, ebenso groß ist der Anteil derer, die schon eine Reise oder einen Flug zu Pressekonditionen gebucht haben.
42 Prozent der Nutzer nehmen die Rabatte hauptsächlich zu privaten Zwecken in Anspruch. Die Hälfte (50 Prozent) nutzt sie dagegen für Recherchen und andere berufliche Zwecke.
Die befragten Journalisten nutzen Rabatte allerdings nicht besonders häufig. Nur knapp ein Viertel der Nutzer (23 Prozent) tut dies mehrmals jährlich. Die Angaben über die zuletzt verwendeten Rabatte zeigen, dass diese vor allem bei größeren und intensiver geplanten Anschaffungen wie dem Auto oder der Buchung einer Reise verwendet werden.
Kritisch bei eigener Berichterstattung
Die Journalisten wurden auch zu ihren Einstellungen zu Presserabatten befragt. Ob die Nutzung von Presserabatten generell problematisch sei, spaltet die Journalisten in zwei fast gleichgroße Lager: Die eine Hälfte (47 Prozent) denkt, dass die Sonderkonditionen unproblematisch sind, die andere (53 Prozent) finden sie problematisch.
Dagegen sind sich alle einig, dass Rabatte auf Produkte einer Branche, über die ein Journalist berichtet, besonders kritisch sind: 84 Prozent der Journalisten empfinden die Nutzung eines solchen Rabattes als problematisch.
Unwissendes Publikum
Einen der wenigen Beiträge zum Thema sendete am 23. November 2008 das NDR-Medienmagazin Zapp. Die Autoren berichteten sehr kritisch. Die Reaktion waren allerdings keine Folgeberichte in anderen Medien, stattdessen verzeichnete die Website www.pressekonditionen.de enorme Zugriffszahlen. Zwei Tage später freute sich der Betreiber der Website über hundert neue Abonnenten des Presserabatt-Newsletters.
Über die Motive der Unternehmen, Presserabatte anzubieten, herrscht bei den Journalisten Einigkeit: Vier von fünf Journalisten (79 Prozent) denken, dass die Unternehmen sich mit Rabatten positive Berichterstattung erkaufen wollen; 12 Prozent würden sogar von Bestechung sprechen. Eine Mehrheit (59 Prozent) glaubt, dass ein Journalist an Glaubwürdigkeit verliert, wenn er Rabatte nutzt.
Dass die Unternehmen mit den Rabatten Einfluss auf die Berichterstattung nehmen wollen, steht für die Mehrheit der Journalisten also fest. Gleichzeitig sind sich die meisten Journalisten aber auch sicher, diesem Einfluss widerstehen zu können. Rund zwei Drittel (69 Prozent) der Befragten meinen, dass ein Journalist, der Rabatte nutzt, weiterhin objektiv berichten kann.
Nicht alle Rabatte transparent
Die Rabatte abzuschaffen, fänden 43 Prozent der Journalisten sinnvoll. Die Mehrheit von ihnen (57 Prozent) hält einen derartigen Schritt für sinnlos. Ein Befürworter der Abschaffung argumentiert: »Es kann gar keinen anderen Grund für Journalistenrabatte geben als das Ziel, ein grundsätzlich zugeneigtes Klima in der Berichterstattung zu erreichen.«
Ein Rabattnutzer hält dagegen, dass Unternehmen einzelnen Journalisten auch auf ganz anderen, der Öffentlichkeit verborgenen Wegen Vorteile verschaffen können. »Festgelegte Journalistenrabatte sind transparent und jedem Journalisten zugänglich.«
Allerdings sind nicht alle Presserabatte transparent, das zeigen die Leitfadeninterviews mit den Presseverantwortlichen verschiedener Unternehmen. So bekannte der Pressechef eines Autoherstellers, dass er die Höhe des Rabattes individuell anpasse: »Es hängt ganz davon ab, was es für ein Journalist ist. Bei einem Motorjournalisten ist seine Relevanz natürlich wichtig. Ist das einer, der national Aufschlag hat, oder ist es einer, der für eine kleine Lokalzeitung arbeitet? Das mag man für ungerecht halten, aber so ist es nun mal im Leben. Je höher meine Relevanz, desto höher ist auch der Vorteil, den ich daraus ziehen kann.«
Frauen sind skeptischer
Frauen bewerten Journalistenrabatte deutlich kritischer als Männer. Die private Nutzung von Presserabatten halten 73 Prozent für problematisch, bei den Männern sind es nur 53 Prozent. Die Nutzungshäufigkeit beider Geschlechter unterscheidet sich nur geringfügig, allerdings nutzen Frauen Presserabatte auffällig seltener zu privaten Zwecken als Männer.
Ein Zusammenhang besteht zwischen den Bewertungen der Journalisten und deren Verbandszugehörigkeit. Mitglieder des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) sehen Rabatte tendenziell unproblematischer als die Mitglieder der Deutschen Journlistinnen- und Journalisten-Union (DJU). Für eine Abschaffung der Rabatte stimmen 39 Prozent der DJV-Mitglieder, aber 57 Prozent der DJU-Mitglieder.
Auch die Verbände selbst vertreten unterschiedliche Standpunkte. Während die DJU Vergüns-tigungen für Journalisten kategorisch ablehnt, empfiehlt der DJV vom Verband selbst ausgehandelte Rabatte, so dass kein direkter Kontakt zwischen Unternehmen und Journalist zustande kommt. Der Journalist liefe dann nicht Gefahr, sich in Abhängigkeit eines Unternehmens zu begeben.
Vielverdiener nutzen Rabatte häufiger
Die berufliche Position steht in keinem Zusammenhang mit den Einstellungen und der Nutzungsfreudigkeit der Journalisten. Die Annahme, dass Journalisten in Führungspositionen besonders sensibel mit Rabatten umgehen, trifft nicht zu. Egal ob Chefredakteur oder Ressortleiter, Redakteur oder Volontär – die Frage nach der Bewertung von Presserabatten spaltet die Journalisten überall in zwei annähernd gleich große Lager.
In Internetforen, in denen sich Rabattnutzer austauschen, wird die Nutzung auch mit der relativ schlechten Bezahlung vieler Journalisten legitimiert. »Wir brauchen in der Tat kein schlechtes Gewissen zu haben, da vor allem die große Schar der Freiberufler trotz oft sehr guter Qualifikationen zu den chronisch &slaquo;Unterbezahlten&slaquo; zählt«, schreibt ein Rabattnutzer.
Die Befragung zeigt allerdings nicht, dass ein niedriges Einkommen eine höhere Nutzungsfreudigkeit bedingt. Im Gegenteil: Bis zu einem Nettoeinkommen von 3.000 Euro monatlich steigt der Anteil der Nutzer sogar deutlich an.
»Es gibt eine gewisse Erwartungshaltung«
Journalisten werden durch Presserabatte nicht nur geködert und nehmen auch nicht nur eine passive Rolle ein in dem Verhältnis zwischen Anbieter und Journalist. Fast die Hälfte aller Befragten (43 Prozent) hat schon einmal aktiv bei einem Unternehmen nach einem Rabatt gefragt.
Erschreckend sind die Aussagen mancher Unternehmensvertreter wie der Pressesprecherin eines Herstellers von Elektronikartikeln: »Es gibt eine gewisse Erwartungshaltung, dass ein Presserabatt gewährt wird. Wenn man nein sagt, setzt Enttäuschung oder im schlimmsten Fall Verärgerung ein. Das möchten wir natürlich gerade bei Journalisten nicht.«
Selbst bei extrem unverschämten Anfragen stecke sie in einem Dilemma, erklärt sie. »Sagt man dem Journalisten, er soll sich zum Teufel scheren? Oder denkt man sich: Jemand, der rumschreit und anschwärzt und im schlimmsten Fall droht, wird vielleicht die Firma ganz besonders schlecht machen? Vielleicht muss man den besonders neutral behandeln und trotzdem an ihn verkaufen.«
Die Pressesprecherin eines Unternehmens, das keine Rabatte anbietet, machte ebenfalls schlechte Erfahrungen: »Einige Anrufer versuchen einem klar zu machen, dass sie Meinungsbilder sind, und dass es völlig unerklärlich ist, dass man eine solche Berufsgruppe so unverschämt behandelt und es keine Presserabatte gibt.«
Dass so viele Journalisten nach Rabatten fragen, obwohl das Unternehmen keine anbietet, ließe sie oft verzweifeln. »Wir bekommen hunderte von Anfragen, schriftlich und telefonisch. Das zu bearbeiten kostet Zeit, Kraft und Nerven.«
Testwagen für regelmäßige Schreiber
Fast keiner der angefragten Autohersteller wollte über das Thema sprechen. Die Branche ist für ihre Presserabatte besonders bekannt. Trotz mehrfacher Nachfrage und zugesicherter Anonymität lehnten im Zeitraum zwischen Anfang Mai und Ende Juli 2008 die Presseabteilungen der Rabattanbieter BMW, Ford, Volkswagen, Audi, Mercedes-Benz und Opel eine Teilnahme ab.
Der Pressesprecher eines Autoherstellers, der zu einem Interview bereit war, gestand zwar moralische Bedenken ein: »Wir haben uns gefragt, warum eigentlich ein Normalbürger mehr bezahlen soll als ein Journalist.«
Die Rabattpraxis seines Unternehmens, nach der nur ausgewählte Journalisten Rabatte bekommen, ist dennoch fragwürdig: »Wenn wir Rabatte handverlesen geben, können wir garantieren, dass Journalisten in den Genuss von rabattierten Fahrzeugen kommen, die auch wirklich was tun. Diejenigen, die viel für die Marke schreiben, die bekommen regelmäßig Testwagen. Wenn sich ein Journalist zum ersten Mal vorstellt und gleich nach einem rabattierten Fahrzeug fragt, sage ich mir: Jetzt lernen wir uns erstmal kennen, du kriegst ein paar Testwagen, schreibst ein paar Artikel, dann guckst du mal auf ein paar Neufahrzeugvorstellungen. Und dann können wir ja weiterreden.«
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