International
Liebe Leser, eine milde Gabe bitte
In der US-Medienkrise sucht die Branche verzweifelt nach neuen Geschäftsmodellen. Doch ob Micropayment oder Mikro-Mäzenatentum: Anzeigenabhängigkeit und Krisenanfälligkeit bleiben.
von Sebastian Feuß
Am besten wäre es, wenn Druckerschwärze süchtig machen würde. Ein Volk solcher Junkies wäre die Lösung für die Krise der US-Zeitungsindustrie. Findet jedenfalls Jon Stewart, Anchorman der amerikanischen Satire-Nachrichtensendung »The Daily Show«.
Und wenn es nicht so schlimm um sie stünde, könnten die Verlagsbosse in den Vereinigten Staaten wohl auch über diesen Gag des Comedian lachen. Aber die Zeiten sind mehr als hart: Viele Zeitungen kämpfen ums Überleben, während andere diesen Kampf bereits verloren haben.
Finanzspritzen und Sparprogramme
Nahezu alle Medienhäuser sind von der Krise betroffen – die überregionalen Qualitätsblätter ebenso wie regionale und lokale Zeitungen. Hier nur einige Beispiele: Die New York Times kann sich nur durch eine Kapitalspritze von 250 Millionen Dollar des mexikanischen Milliardärs Carlos Slim vorübergehend über Wasser halten. Die Tribune Company, Herausgeber der Los Angeles Times und der Chicago Tribune, meldete im vergangenen Dezember Insolvenz an. Der Zeitungskonzern Journal Register, der insgesamt 20 Blätter herausgibt, folgte Ende Februar.
Auch die Hearst-Gruppe ist schwer angeschlagen. 16 Zeitungen vereint sie unter ihrem Dach. Einige davon könnten schon bald ganz vom Markt verschwinden oder nur noch online erscheinen. So wie der Seattle Post-Intelligencer, der seit Mitte März nur noch im Internet zu lesen ist – nach 146 Jahren auf Papier. Auch die Zukunft des San Francisco Chronicle ist ungewiss. Auf der Unternehmenswebsite berichten Hearst-Firmenchef Frank A. Bennack und der Chef der Zeitungsgruppe, Steven R. Swartz, der Chronicle habe im vergangenen Jahr rund 50 Millionen Dollar Verlust gemacht. In diesem Jahr liege er vermutlich noch darüber.
Deshalb haben die Verlagsbosse dem Blatt ein drastisches Sparprogramm verordnet: Unter anderem sollen mindestens 150 Mitarbeiter entlassen werden. Sollten die Einsparungen nicht ausreichen oder finde sich kein Käufer, bedeute dies das Aus des seit 1865 erscheinenden Blattes, schreiben Bennack und Swartz.
Der Chronicle würde sich einfügen in eine längere Liste von Zeitungen, die dieses Schicksal bereits ereilt hat. Jüngst traf es etwa die ebenfalls traditionsreichen Rocky Mountain News. Und im Internet kursieren bereits Top-Ten-Listen, wen es als nächsten treffen könnte. Ein Branchendienst kommt gar zu dem Ergebnis, dass bis auf die altehrwürdige New York Times, das überregionale Boulevardblatt USA Today und Murdochs Wall Street Journal alle US-Zeitungen über kurz oder lang vom Markt genommen werden könnten.
Düstere Lage am Anzeigenmarkt
Wie konnte es so weit kommen? Das tradierte Finanzierungsmodell der meisten Zeitungen funktioniert schon lange nicht mehr. Doch jetzt, in der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise, verschärft sich die Lage drastisch.
Kleinanzeigen wandern nahezu komplett ins Internet ab. Auf Portalen wie Craigslist können sie kostenlos geschaltet werden. Stärker ins Gewicht fällt die Zurückhaltung der Wirtschaftsunternehmen in Zeiten der Krise, zu vergleichsweise hohen Preisen in Zeitungen zu werben.
Im Internet ist es zwar immer noch günstiger, doch auch dort ist die Flaute deutlich zu spüren: Die Online-Werbeeinnahmen der Printmedien sind nach aktuellen Angaben der Newspaper Association of America im dritten Quartal 2008 weiter um rund 3 Prozent gefallen auf nunmehr etwa 749 Millionen Dollar. Im ersten Quartal 2008 lagen sie noch bei etwa 804 Millionen Dollar.
Bei den Gesamteinnahmen aus Print und Online zusammen sieht es noch viel düsterer aus: Ein Minus von rund 18 Prozent im dritten Quartal 2008 ist hier zu verzeichnen – auf nun rund 8,9 Milliarden Dollar. Im Vorjahreszeitraum waren es noch …
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