Demand Media
Massenware auf Nachfrage

Konkurrenz für den Blattmacher: DasGeschäftsmodell desUS-Unternehmens »Demand Media« überlässt dieThemenauswahl einer Maschine. Nur fürs Schreiben sind nochMenschen zuständig.

von Björn Sievers

Die Olympischen Spiele im kanadischen Vancouver waren gerade einpaarTage alt, die deutsche Skiläuferin Maria Riesch hatte ihre ersteGold-Medaille in der Super-Kombination gewonnen. »In denRedaktionsstuben feilen sie jetzt vermutlich gerade anÜberschriften mit der Goldmarie«, kommentierte derFernsehreporter. Er bemühte dieses eigentümliche Wort:Redaktionsstuben.

Die Stube war noch vor ein paar Jahrzehnten der wichtigste Wohnraum injedem Haus und jeder Wohnung, im Winter war sie oft das einzige Zimmer,das sich heizen ließ. Auch in vielen Redaktionsstuben konnte mansich über Jahr-zehnte ebenso wärmen: Das Geschäft ausJournalismus auf bedrucktem Papier, refinanziert über Anzeigen undVertriebserlöse, war krisenresistent, schließlich hatten diemeisten Zeitungen in ihrer Region kaum Konkurrenz – und konntenso je nach Bedarf an der Werbe- oder der Verkaufspreisschraube drehen.Doch diese Zeiten sind vorbei. Das Internet trocknet den Nährbodendes Blätterwalds aus. Redaktionen sind schon lange keine warmenStuben mehr, sondern nach betriebswirtschaftlichen Kriterienorganisierte, effiziente Teams. Das gilt nicht nur fürOnline-Redaktionen, sondern auch für viele im Printbereich.

Automatisierte Kreisläufe

Nun verändert das Internet aber nicht allein die Erlösmodellefür Medien und ihre Produkte. Das Internet schafft neue Medien,neuen Journalismus – hier und da schafft es den Journalismus aberauch ab: Die ersten (Offline-) Redaktionssysteme nahmen den Setzern inden Zeitungsverlagen ihren Job, Google News kommt ohne Blattmacher aus.Nicht der Mensch, sondern die Maschine wählt Nachrichten aus,gewichtet und sortiert sie nach Kriterien, die nur die Programmiererkennen.

Heute haben sich im Netz automatische Kreisläufe gebildet:Websites importieren Agenturmeldungen von DPA, Reuters und Co.,Aggregatoren wie Google News finden diese und bauen eigenständigeAngebote aus der Rohmasse. Der letzte Mensch, der Hand anlegt in diesemSystem, ist der Slot-Redakteur der Nachrichtenagentur, wenn er dieMeldung auf den Draht gibt.

Immerhin: Die Themenauswahl bei der Agentur funktioniert nachjournalistischen, also menschlichen Kriterien, die Texte genügenjournalistischen Standards.

»Predictive creation«

Doch auch diese Kernkompetenz wird nun in Frage gestellt. An dieStelleder Auswahl durch ausgebildete Journalisten tritt jetzt in der Kulturmancher Betriebe etwas geändert hat, zeigte eine der Befragungvorausgegangene Sekundäranalyse diverser Quellen. Immerhin siebenPrintverlage bzw. Rundfunkunternehmen besitzen mittlerweile dasbekannte »Audit Beruf und Familie«-Zertifikat(www.beruf-und-familie.de): die WDRmediagroup, die Hubert BurdaMedia Printmedien-Redaktionen München, der Zeit-Verlag, der Lausitzer Rundschau Medienverlag,der Südkurier, derVerlag Der Tagesspiegel unddie Holding der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck in Stuttgart.Welche Auswirkungen eine derartige Auszeichnung oder Zertifizierung aufdie tatsächliche Situation im Redaktionsalltag hat, …

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