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Ein Riese auf Schrumpfkur
Die BBC galt lange als das internationale Leitmediumschlechthin. Nun kratzen politische Feindseligkeit, harteSparzwänge und einzwiespältiger Regionalisierungskurs am Image des Senders.
von Jürgen Krönig
Hat der Niedergang einer großen britischen Institutionbegonnen? Das Schicksal der BBC ähnelt schließlich infrappierender Weise der des Vereinigten Königreiches selbst.Finanzkrise und Rezession haben ein »Mini Golden Age«, dasmit dem Thatcherismus begann und mit dem Abgang von Tony Blair 2007endete, als trügerisches Zwischenhoch enthüllt: Der britischeStaat hatte sich übernommen, desgleichen seine Bürger, dieüber ihre Verhältnisse gelebt hatten. Nun gilt es, denGürtel drastisch enger zu schnallen, das staatliche Defizitabzubauen und die exzessive private Verschuldung loszuwerden.
Die Parallelen zum Werdegang der BBC in den vergangenenJahrzehnten sind nicht zu übersehen. Die BBC war und istunbestritten einer der einflussreichsten Sender der Welt. An ihrorientieren sich nicht nur alle öffentlich-rechtlichen Anstalten;weltweit wird die BBC wegen ihrer journalistischen Leistungen und ihrerKreativität bewundert, profitieren von ihren Ideen und ProgrammenTV- und Radiosender.
Doch auch die British Broadcasting Corporation kocht nur mitWasser. So offenbart sich auf bestimmten Themenfeldern –Nahost und Israel, Europa, Einwanderung und Klima – die Neigung,eine Sicht dominieren zu lassen. Diverse Untersuchungen wiesen nach,was Kritiker den »linksliberalen Bias« nennen.
Auch hat es immer schon erklärte Gegner der BBC gegeben,die den Public Broadcaster am liebsten abschaffen, zumindest erheblichzurückstutzen und seiner privilegierten Finanzierung durchGebühren berauben würden. Der BBC war es in den vergangenenzwei Jahrzehnten trotz alledem gelungen, die Angriffe ihrerärgsten Gegner abzuwehren. Selbst die Thatcherrevolution auf demHöhepunkt ihrer Macht, unterstützt von Murdochs Medienempire,scheiterte an der BBC und ihren machtvollen Freunden, obgleich Mitteder 80er Jahre konservative junge Wilde konkrete Pläneausgearbeitet hatten, weite Teile der BBC zu privatisieren und eslediglich bei einem öffentlich-rechtlichen Rumpfsender zubelassen.
Als im vergangenen Jahr James Murdoch, Sohn des MedienmagnatenRupert, eine bittere Attacke auf den »erstickenden Koloss BBC undseine imperialen Ambitionen« ritt, war das letztlich eineindirekte Bestätigung der nach wie vor starken Position der BBC,über deren »digitalen Imperialismus« längst nichtnur Murdoch, sondern viele privatwirtschaftliche Medienunternehmenbittere Klage führen. Selbst der linksliberale Guardian, eindezidierter Anhänger des öffentlich-rechtlichen Prinzips,kritisierte die Anstalt. Vor allem BBC Online, der Weitsicht desfrüheren Generaldirektors John Birt zu verdanken, wird alsunüberwindbares, durch Gebühren finanziertes Hindernisfür privatwirtschaftliche Interessenten empfunden.
Finanzkrise als Gelegenheit für Tories
Doch nun wird die BBC von der Phase des nationalen Niedergangserfasst. Das riesige strukturelle Defizit Großbritanniensberührt zwangsläufig auch ihre Fähigkeit, national wieinternational weiterhin eine führende Rolle zu spielen. Hinzukommt die neue politische Konstellation: Die Wahlen des vergangenenJahres brachten nach 13 Jahren das Ende der Labourregierung. Am Rudersind nun Konservative und Liberaldemokraten. Die konservativgeführte Regierung ist der BBC eindeutig weniger freundlichgesonnen. Vielmehr bietet die Finanzkrise die Gelegenheit, die BBChärter anzupacken, sie zu einem schmerzlichen Sparkurs zuverpflichten – und auf diese Weise ihren Spielraumeinzuschränken.
Die Koalition aus Tories und Liberaldemokraten hält eineBegründung parat, die den meisten Wählern einleuchtet: Derbritische Staat muss abspecken, jeder Bürger spürbar mehr anAbgaben zahlen. Folglich ist es nur recht und billig, auch der BBCeinen Beitrag zuzumuten.
Die Regierung hat die Rundfunkgebühr, 145,50 Pfund proJahr, für die nächsten fünf Jahre eingefroren. De factoheißt dies, dass das Gesamteinkommen der BBC, derzeit 4,8Milliarden Pfund im Jahr, je nach Höhe der Inflationsrate leichtschrumpfen wird. Zugleich wird der BBC World Service, derKurzwellensender, der sowohl auf Englisch als auch in anderen Sprachensendet, nicht länger vom Außenministerium finanziert. Diesbürdet der BBC die Summe von jährlich zusätzlich 240Millionen Pfund auf. Die BBC muss ihre Ambitionen reduzieren.
Programm auf Hindi auf dem Prüfstand
Die Suche nach Einsparmöglichkeiten hat begonnen. Daserweist sich als äußerst knifflige Angelegenheit. DieBBC-Führung hatte die auf den ersten Blick einleuchtende Idee, dieSendungen in Hindi einzustellen. Der Wirtschaftsgigant Indienkönne seine Bevölkerung selbst informieren. Gleichwohllöste die Entscheidung Empörung aus, sowohl unterKultureliten in Großbritannien als auch bei Hörern inIndien. Für viele Menschen in Afrika, dem Vorderen Orient undAsien ist der World Service nach wie vor unverzichtbar; selbst Bewohnerdes indischen Subkontinents möchten nicht auf ihn verzichten.Zumal die Entwicklung und Vergabe von UKW-Frequenzen an private Sendererst in diesem Jahr richtig ins Rollen kommt; insbesondere dieLandbevölkerung ist auf die Arbeit des World Service angewiesen.Das Todesurteil für das Hindi-Programm wurde ausgesetzt, der WorldService wird eine einstündige Nachrichten- und Informationssendungauf Hindi ausstrahlen, befristet auf ein Jahr. Die Suche nachalternativen Finanzquellen geht weiter.
Die Episode unterstreicht zugleich auch GroßbritanniensSonderstellung in der Welt. Das Empire lebt fort – sprachlich,kulturell und rechtlich. Zu den vormaligen Kolonien bestehen immer nochvielfältige Beziehungen. Der »global reach« der BBCbleibt von großer Bedeutung, wirtschaftlich wie politisch undkulturell. Ganz abgesehen davon steht der World Service für diebesten Traditionen der BBC. Er ist wohltuend frei geblieben von denTrends, die Puristen bei der nationalen BBC beklagen, frei vonKommerzialisierung, Trivialisierung und Parteilichkeit.Gespart werden aber muss. Daran führt kein Weg vorbei. Diegoldenen Jahre sind vorüber. Jetzt erst dämmert es vielen der28.000 BBC-Angestellten, wie gut sie es hatten in der Ära von NewLabour und Tony Blair. Die meisten hatten ihn unausstehlich gefunden,wegen des Irakkrieges, aber auch, weil sich New Labour vom»Sozialismus« abgewandt und in ihren Augen zumarktfreundlich geworden war.
Die Labourregierung, obgleich empört über die Einseitigkeitvieler BBC-Programme und in bitterer Fehde verstrickt überaufgebauschte Reporterberichte, hatte den öffentlich-rechtlichenSender dennoch mit einer üppigen finanziellen Regelungverwöhnt: Inflation plus eineinhalb Prozent Steigerung pro Jahr–davon können ARD und ZDF nur träumen. Mit der Erneuerung derRoyal Charter, der Satzungsgrundlage der BBC, im Jahr 2006 wurdezugleich das System der Gebührenfinanzierung bestätigt,obgleich viele Stimmen laut wurden, die meinten, die »regressiveZwangssteuer« der Gebühren sei nicht mehr zu halten.Sie rechtfertigen dies mit dem rasanten Wandel, in dem sich diebritische Medienlandschaft befindet. Zudem verzeichnet die BBC nur nocheinen Marktanteil von 35 Prozent in der digitalen Multikanalwelt.
Die andauernde Sorge der BBC, die sie mit anderen PublicBroadcastern teilt, dreht sich jetzt wieder um ihre Finanzen, um ihreAufgaben, letztlich aber auch um ihre Existenzberechtigung selbst.Diese Sorgen sind in der Ära des Sparzwangs und angesichts einesraueren politischen Klimas wieder mit Macht aufgetaucht. Wobei es eherberuhigend wirkt, dass der neue Chairman des BBC Trusts, desAufsichtsgremiums der Corporation, Chris Patten heißt. PremierCavid Cameron traf die Entscheidung für den 66-jährigenkonservativen Lord, Kanzler der Universität Oxford, Ex-Minister,Vorsitzender der Konservativen und einst Gouverneur von Hongkong. Erist ein liberaler Tory, ein Mann also nach dem Geschmack der BBC, dersich als Fan ihrer anspruchsvollen Radio- und Fernsehprogramme erweistund dem BBC-Milieu eher zu nahe steht als dass er dessenÜbertreibungen monieren würde.
Die BBC mag viele Hörer und Zuschauer verärgerthaben, durch unangebrachte Millionengagen für vulgäreEntertainer wie Jonathan Ross, durch Telefonskandale, bei denen dieZuschauer betrogen wurden, durch ihre politische Schlagseite. Doch eshat sich einiges gebessert in den letzten Jahren. Das Bemühen warerkennbar, der Einseitigkeit entgegenzuwirken und einergrößeren Vielfalt an Stimmen Raum zu geben. Auch hat dieCorporation versucht, dem Unmut über die hohen Gehälter zubegegnen, in dem sie bereits vor zwei Jahren die Kürzung derGehälter für alle Topmanager um zehn Prozent verkündeteund die exorbitanten Gagen für TV-Stars um gleich 25 Prozentverringerte.
Aber all das erweist sich …
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