Neo-Nationalismus
Hässlich sind nur die Anderen
Die Euro-Krise ist kompliziert. Für viele Pressejournalisten war sie ganz einfach: Unser Land ist das Opfer und die anderen Länder sind die Täter. Statt aufzuklären, wurden alte Klischees bedient.
von Carolin Lohrenz
Auf den Straßen in Athen verbrennen Demonstranten deutsche Flaggen und posieren neben Hitlerkarikaturen der Bundeskanzlerin. Im Parlament verhöhnen Abgeordnete ihre Minister als Kollaborateure, während ein deutscher EU-Gesandter zum Gauleiter erklärt wird. In Frankreich schwadronieren Politiker, Frau Merkel mache eine Politik wie Bismarck, während sich in Deutschland ein Fraktionschef beglückwünscht, dass in Europa jetzt Deutsch gesprochen werde. Die Euro-Krise, sie hat in Europa alte Geister wieder auferstehen lassen. Vor allem jene einer deutschen Vorherrschaft in Europa.
Demonstranten und Politiker sind aber nicht die Einzigen, die die Geister der Vergangenheit heraufbeschworen. Wer in den letzten Jahren Europas Presse las, der traf auf aufgeregte Titel über die »Pleite-Griechen« (Bild, 10. Februar 2010), sozusagen lügende Faulpelze, die sich durch die Europäische Union schmarotzten, einerseits. Andererseits ertönte die Klage über das »Vierte Reich«, die »Germanisierung Europas« und das »Spardiktat«, das jetzt dort erfolgreich durchgreife, wo deutsche Panzer vor einigen Jahrzehnten gescheitert waren.
»Wenn Wladimir Putin oder Viktor Orbán sich von der westlichen Presse schlecht behandelt fühlen«, schrieb die Pariser Tageszeitung Le Monde »dann sollten sie einfach mal in Griechenland vorbeigucken. In ihrem Unglück haben die Griechen die perfekte Zielscheibe gefunden, der sie ihre ganze Wut entgegen schleudern können: Angela Merkel. (…) Über die Kanzlerin hinaus dehnt sich die Schande auf die Gesamtheit ihrer Landsleute aus, die deutschen »Besatzer«, und ihre historischen Fehler, die nie gebüßt sind.« (Le Monde, 14. Februar 2012)
Krieg und Krise, so nah beieinander, in Europa, das den Zweiten Weltkrieg über ein halbes Jahrhundert hinter sich gelassen und sich in einer Gemeinschaft »für Frieden und Wohlstand« zusammengeschlossen hat?
Angefangen hat die journalistische Ächtungskampagne unter anderem in Berlin, bei Bild. Von Februar 2010 an geizte das Springer-Blatt nicht mit zweideutigen Titeln zulasten unserer südlichen Nachbarn …
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