Die Weißwäscher
Bäumchen wechsle dich
Tobias Höhn ist an der Universität Leipzig Grenzgänger zwischen Journalismus und PR. Er tauscht die Seiten so schnell und ausdauernd lächelnd, dass einem ganz schwindlig wird.
von Clemens Haug
Wohl jeder angehende Journalist freut sich über Reaktionen auf seine Berichterstattung. Den Studenten von Tobias Höhn gelingt eine Aufsehen erregende Exklusivmeldung im Herbst 2011. An der Universität Leipzig wird gerade über gewaltige Stellenstreichungen debattiert. Als ehemaliger Uni-Pressesprecher weiß Journalistik-Dozent Höhn, wohin er seine Studenten schicken muss, um an brisante Informationen zu gelangen. Und als ehemaliger Mitarbeiter der dpa weiß er, wie man Nachrichten schnell auf den Markt bringt. Die Kürzungspläne will das Rektorat am 13. Dezember im Akademischen Senat bekanntgeben. Höhn bereitet seine Lehrredaktion Campus auf diesen Tag gut vor.
Als die Senatssitzung beginnt, nehmen zwei Campus-Studenten auf den Besucherstühlen Platz. Per Laptop und Internet geben sie Informationen blitzschnell an ihre Kollegen in der Uni-Lehrredaktion weiter. Die aktualisieren an diesem Tag laufend das Onlineportal der Leipziger Volkszeitung (LVZ), mit der die Leipziger Journalistik in Form der Campus-Redaktion seit 18 Jahren kooperiert. Die angehenden Redakteure melden als Erste »Pharmazie-Institut droht Schließung« und sind damit schneller als die Agenturprofis (Campus Online, 13. Dezember 2011). Sie überrumpeln auch die Uni-Pressestelle, die mit der Live-Berichterstattung nicht gerechnet hat. Die PR-Leute können nur noch auf die bereits veröffentlichten Nachrichten reagieren. Wie sich später zeigt, nimmt auch die sächsische Landesregierung in Dresden die Campus-Artikel zur Kenntnis. Das ist Balsam für die jungen Reporterseelen. »Wir haben dafür gesorgt, dass das Thema eine große Öffentlichkeit erreicht hat«, erinnert sich der damalige Campus-Redakteur Sebastian Münster. Und sein Kommilitone Martin Rank lobt Initiator Höhn: »Wir haben sehr davon profitiert, dass er die Strukturen an der Uni sehr genau kannte.«
Im Herzen sei er Journalist
Kritik öffentlicher Missstände und die Präsentation von gesellschaftlich relevanten Themen, das sind für Höhn zwei zentrale Aufgaben des Journalismus. Er liebt diesen Beruf. Aber nicht nur diesen einen.
Auf seiner Internetseite präsentiert sich Höhn als Experte für die »Schnittstelle zwischen PR und Journalismus«. Der 35-Jährige hat das Zwitterdasein zu seiner Spezialität erklärt: Er agiert zwischen journalistischem Informieren der Öffentlichkeit und dem käuflichen Arbeiten für verschiedene Auftraggeber. Im Herzen sei er aber eigentlich immer Journalist gewesen, versichert Höhn.
Geht das so einfach? In einem Moment unabhängiger Beobachter und Journalisten-Ausbilder sein, im nächsten Geld für die Beeinflussung der Öffentlichkeit entgegennehmen und schließlich wieder kritisch berichten? Seitenwechsel und Doppelfunktionen sind in der deutschen Medienbranche keine Seltenheit mehr. Schon 2009 konstatierte der Deutsche Journalistenverband: Knapp 40 Prozent der freien Journalisten nehmen regelmäßig PR-Aufträge an. Die Wandlungsfähigkeit wird allerdings nicht von allen begrüßt. Denn oft beißen sich die Erwartungen der Abnehmerredaktionen mit denen der PR-Auftraggeber. Die einen erwarten Unabhängigkeit, die anderen Loyalität. Treten Rollenkonflikte auf, mündet das mindestens in Stress und senkt die Zufriedenheit, wie die Medienwissenschaftler Magdalena Obermaier und Thomas Koch von der Ludwig-Maximilians-Universität München in einer 2013 veröffentlichten Studie zeigen. Auch Redaktionen mit hohen journalistischen Standards akzeptieren diese Janusköpfigkeit nicht und trennen sich von Mitarbeitern, die beide Berufsfelder beackern (s. Interview Seite 24).
Höhn dagegen sagt, er profitiere von beiden Seiten. […]
Sie wollen den ganzen Text? Dann bestellen Sie diese MESSAGE-Ausgabe! zur Bestellung
Kommentar hinterlassen