Chefredakteure
Sturmschäden vor dem Haus
Kai Diekmann räumt auf! Diesmal nicht nur im Leben der Promis, sondern gleich vor der eigenen, ganz privaten Hamburger Haustür.
Matthias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Axel Springer Verlags, hat im vorigen Jahr einen Meilenstein für die Stärkung journalistischer Glaubwürdigkeit gesetzt: seine »Leitlinien zur Sicherung journalistischer Unabhängigkeit«.
Unter der Rubrik »private und geschäftliche Interessen« finden sich folgende Aussagen: »Die Journalisten bei Axel Springer berichten grundsätzlich nicht über nahe stehende Personen, insbesondere Familienangehörige in Text und Bild, es sei denn, es liegt ein mit dem jeweiligen Vorgesetzten abgestimmter sachlicher Grund vor«.
Weiter heißt es, »falls durch (…) Beziehung zu Personen oder Institutionen der Anschein erweckt werden könnte, dass dadurch die Neutralität der Berichterstattung (…) beeinträchtigt würde«, stimmen Springer-Journalisten »sich grundsätzlich mit ihrem Vorgesetzten ab«.
Das sind klare Absichtserklärungen, die auch auf die Bild-Zeitung zielen. Denn die Redakteure der europaweit größten Zeitung sind für Muskelspiele vielleicht eher anfällig als die Kollegen anderer, kleinerer Zeitungen. Und darum macht es Sinn, hier klare Grenzen zu ziehen.
Aufdeckende Recherchen
Wie schwer es fällt, die Verpflichtung zur Neutralität sinnvoll umzusetzen, wenn es um die Themensetzung des eigenen Chefs geht, illustriert eine kleine Episode aus dem ereignisreichen Bild-Zeitungsalltag.
Im noblen Stadtteil Harvestehude, wo die zu Geld gekommene Bohème, wo Künstler, Dichter und Denker – und in der Folge auch Medienleute – wohnen, haben sich das Journalistenpaar Katja Kessler und Kai Diekmann unlängst eine noble Stadtvilla aus der Gründerzeit gekauft und stilgerecht renoviert. Die Villa liegt in unmittelbarer Nähe des kleinen Stadtparks Innocentia, einem beliebten Treffpunkt älterer Herrschaften mit ihren Hunden.
Plötzlich streiften Bild-Reporter durch den nahen Park, spürten Hundekot auf und führten Befragungen zum Thema Leinenzwang durch. Über den Polizeiruf 110 alarmierten die Bild-Journalisten die Ordnungsmacht und bescherten so einigen Diekmann-Nachbarn 25 Euro Ordnungsgeld.
Die aufdeckenden Rechercheergebnisse der Bild-Sheriffs waren dann zwischen dem 24. und 28. Februar 2004 in einer sich eskalierenden Bild-Artikelserie über die frei laufenden Hunde nachzulesen: »Warum tut das Amt nichts gegen Ohne-Leine-Hunde?« (24. Februar 2004). Und ein Tag später: »Bild machte den Test: Erst nach 55 Minuten kam der Ordnungsdienst«.
Der Ordnungsdienst habe insgesamt vier Hundeleinen-Verweigerer gestellt, berichtet Bild – und zeigt drei von ihnen mit schwarzen Verbrecher-Balken über den Augen. Eine Frau habe getobt: Es sei ihr Recht, ihren Hund unangeleint herumlaufen zu lassen. Rumms: 25 Euro Buße. »Ich werde es wieder machen«, so die Uneinsichtige. Beim nächsten Mal werde es deutlich teuerer, warnt der Ordnungsdienst.
Bild kämpft wieder
Die Bild-Zeitungsleser, für die sich das Blatt als Anwalt der kleinen Leute gern wortstark in Szene setzt, kennen das Schickeria-Quartier nur vom Hörensagen. Dennoch war das Engagement Diekmanns für den Park vor seiner Haustür damit noch nicht erschöpft.
Nachdem im Juni ein Sturm über Hamburg fegte und auch in jenem Park Bäume zu Fall brachte, raschelte es im Springer-Pressewald: »Bürger retten Innopark« (Bild, 14. Juni), »Sturmschäden: Sammeln für den Innocentiapark« (Hamburger Abendblatt, 14. Juni), »Innocentiapark: Private Hilfe soll Wiederaufbau sichern« (Welt, 15. Juni), »Ole von Beust lobt Bürger-Initiative für den Innocentiapark« (Bild, 15. Juni). In praktisch allen Beiträgen wird zu Spenden aufgerufen, als läge der Park in einem Notstandsgebiet.
Rund 20 Anwohner, darunter der Herausgeber des zu Springer gehörenden Hamburger Abendblatts, haben sich zur »Initiative Innocentia-Park« zusammengeschlossen. Ihr Sprecher ist der Hamburger Unternehmensberater Harald Kemna. Auf die Frage, ob Diekmann die Initiative mittrage, antwortet er: »Ja. Er weiß, was in seinem Blatt erscheint!«
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