Plagiat Im Journalismus
Die Augen der Krähen
Ob Hegemann, Bushido oder gestresste Studenten: Über geistigenDiebstahl wird gerne berichtet. Um das Plagiat im Journalismus ist esdagegen erstaunlich ruhig. Woran mag das liegen?
von Andreas Raabe
Plagiate und ihre Enthüllung bieten Stoff für großeGeschichten: Schwindel und Betrug, der Absturz des Superstars undschließlich Gerechtigkeit für den wahren Künstler.
Plagiatsskandale schlagen in Forschung und Wirtschaft, imMusikgeschäft oder in der Literatur hohe Wellen, zuletzt, alsnachgewiesen wurde, dass Rapper Bushido Melodien von französischenund norwegischen Rockern geklaut und die Teenager-Autorin HeleneHegemann Teile ihres Romans »Axolotl Roadkill« unteranderem bei einem als »Berliner Blogger« tituliertenSchriftsteller abgekupfert hat.
Über Fehler schweigen
Im Unterschied zum Skandal-Geschrei in der Welt der Kunst scheint dasPlagiieren im Journalismus kein Thema zu sein. Keine großenEnthüllungsstorys, kein »mea culpa« reuiger Ideendiebe, keine empört in die Kamera blickende Opfer.
Stoff für solche Geschichten gäbe es eigentlich genug. DasProblem ist nur: Niemand redet über Missgriffe der anderen. Diesgilt für einzelne Journalisten wie für Redaktionen, zudemsind deutsche Journalisten nicht gerade für ihre Lust aufKollegenschelte bekannt.
Man erinnert sich an die paar Ausreißer, etwa an denGrimme-Preisträger und ARD-Nahostexperten mit Millionenpublikum,der jahrzehntelang aus Fachbüchern und der Weltpresse abschrieb,ohne dass ihm jemand auf die Schliche kam, zumindest kein Kollege.Nicht einmal Arabisch verstand dieser selbst ernannte und von denFernsehmedien hofierte Experte, der mit seiner zusammengeklautenKolportage das Arabienbild einer ganzen Nation prägte. Doch dazuspäter mehr.
Auch in der Journalismusforschung ist das Thema ein blinder Fleck.»Woran keiner interessiert ist, darüber gibt es auch keineForschung«, sagt der Medienwissenschaftler Stefan Weber. Keineeinzige wissenschaftliche Arbeit in Deutschland beschäftigt sichexplizit mit dem Plagiieren im Journalismus. Das ist erstaunlichangesichts der Fülle an Arbeiten etwa zum Plagiat in derWissenschaft. Dafür kann es nur zwei Gründe geben: Entwederexistiert das Problem – abgesehen von ein paarAusnahmefällen – nicht. Oder man erfährt so wenigdarüber, weil es fast schon üblich ist, weil es verharmlostoder totgeschwiegen wird. Der zweifelhafte Ruf, geistiges Eigentum zuklauen, würde auf die Berufsrolle und damit auch auf dieGlaubwürdigkeit der Journalisten zurückfallen. Also werdenProblemfälle intern ausgehandelt, Motto: Eine Krähe hackt deranderen kein Auge aus.
Draufhauen
Im Unterschied zu Literatur und Kunst geht es imInformationsjournalismus oft nicht um eine klare geistigeUrheberschaft, sondern um ein Amalgam aus exklusiven Informationen,Zusammenhangswissen und Beobachtungen, die zu einem Bericht, einerGeschichte zusammengebraut werden. Wo beginnt hier das Urheberrecht,dessen Verletzung als Plagiat oder geistiger Diebstahl zu brandmarkenwäre? An Informationen hat niemand ein Urheberrecht, hier geht esbestenfalls um Fairness und Redlichkeit. DJV-Sprecher HendrikZörner wiegelt darum ab: »Es kommt natürlich auf dieDefinition an, aber so wahnsinnig häufig kommen Plagiate nichtvor.« Spontan kann er sich an keinen einzigen Fall vonPlagiarismus im Journalismus erinnern. Eine Tabuisierung, einUnter-den-Teppich-Kehren der Problematik kann er sich nicht vorstellen.Zörner: »Wenn man sich den Medienjournalismus mal anschaut:Sendungen wie Zapp zum Beispiel, die würden da doch sofortdraufhauen.« Würden die?
Für diese These spricht zunächst, dass im digitalenZeitalter der Nachweis simpel scheint. »Einen Plagiator zuerkennen, ist für uns ganz einfach«, sagt Petra Kerkermeier,Leiterin des Doku-Ressorts beim Focus. Texte könnten inkostenpflichtigen Pressedatenbanken abgeglichen werden. Allerdings tundie Focus-Leute das nicht automatisch – erst muss es einenVerdacht geben.
Schwieriger ist es, plagiierte Geschichten zu erkennen, bei denen…
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