Blogs und Journalismus
Rauchverbot: Dafür, dagegen, egal?

von Jürn Kruse und Paul Wrusch

Was machen wir mit dem Rauchverbot? In den ersten beiden Januarwochen berichten praktisch alle Medien über erste Ergebnisse und Erfahrungen mit dem Rauchverbot in der Gastronomie: »Der Beginn eines neuen Zeitalters« (SZ vom 2.1.08) oder »Das Rauchverbot macht erfinderisch« (SZ vom 4.1.08). Zudem gibt es viele Berichte über die Angst der Wirte vor Umsatzeinbrüchen.

Dann wird recherchiert, ob sich die Wirte an das Rauchverbot halten (was den Berichten zufolge oft nicht der Fall war). Kurz darauf erhitzen sich die Gemüter über das Verhalten von Helmut Schmidt, der sich weigerte, an einem öffentlichen Ort das Rauchverbot einzuhalten.

Vier Wochen nach Inkrafttreten des Verbots bringen viele Zeitungen erste Bilanzen – und behandeln als neuen Themenfokus die Gerichtsentscheidungen über verschiedene Klagen von Wirten (»Karlsruhe lehnt Eilantrag gegen Rauchverbot ab«, FR vom 31.1.08).

In der ersten Februarwoche berichten zahlreiche Medien über eine repräsentative Umfrage zum Thema: »Große Mehrheit für Rauchverbot in Gaststätten« (Handelsblatt, 4.2.08). Ab Mitte Februar steht Rheinland-Pfalz im Mittelpunkt: Gerichte ließen dort das Rauchen in sogenannten »Ein-Raum-Eckkneipen« wieder zu: »Rauchverbot wackelt« (FR, 13.2.08). In Beiträgen und Zuschriften wird heftig diskutiert, ob der Raucherschutz (Gesundheit!) oder die Existenz von Ein-Raum-Gaststätten (Umsatz!) das wichtigere Gut seien. Ende Februar erscheinen Berichte über Umsatzeinbußen.

Der Höhepunkt der Berichterstattung folgt im März. Nun steht erneut Bayern im Fokus. Nach den für die CSU desaströsen Kommunalwahlen titelt etwa die FAZ (3.3.08): »Die Schuldigen sind schnell gefunden«. Schuldig ist nach CSU-Meinung das Rauchverbot. Von jetzt an ist das Thema politisiert. »CSU buhlt um Bayerns Raucher« (FTD vom 4.3.08). Ergebnis: In Bierzelten darf wieder geraucht werden (Sofortmaßnahme).

Zur selben Zeit bringen die größeren Blätter Erlebnisreportagen über findige Raucher und findige Wirte (Raucherclubs, Kneipen werden als Laientheater deklariert usw.). Ende März wird in allen Medien der Fall Sachsen behandelt, wo das Verfassungsgericht das Verbot für Ein-Raum-Kneipen aufhob. »Raucherlaubnis für Sachsens Minikneipen« heißt es beispielsweise in der FTD.

Im April lässt das Interesse nach, aber das Thema dreht sich auch weiter, die Fronten verschieben sich; im Mittelpunkt stehen nun mögliche Volksbegehren gegen das Rauchverbot, Unterschriftensammlungen in Berlin sowie eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Stimmung hat sich gegenüber dem Januar zugunsten der Raucher fast umgekehrt. In der SZ wird jetzt über das Rauchverbot meist im Zusammenhang mit schlechten Umfragewerten für Ministerpräsident Günther Beckstein und den CSUVorsitzenden Erwin Huber berichtet.

Bis Mitte Mai (Ende unserer Beobachtung) wird vor allem über Verbotslockerungen in weiteren Bundesländern berichtet und kommentiert; schön geschriebene Reportagen erzählen kuriose Episoden aus der Sicht der Betroffenen: Raucher, Nichtraucher, Wirte.

Die Leserdiskussion

Im untersuchten Zeitraum veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung mehr als 21 Leserbriefe, die das Thema Rauchverbot zumindest anschneiden. Häufig geht es den Lesern um die Stimmenverluste der CSU in Verbindung mit dem Rauchverbot.

Ein Leser schreibt (5. März): »Zur Kehrtwende beim Rauchverbot lässt sich konstatieren, dass die Regierung wieder einmal als Löwe abgesprungen und als Bettvorleger gelandet ist. Vielleicht sollte man keine Gesetze beschließen, bei denen man nicht Manns genug und auch nicht willens ist, ihnen nach ihrer Verabschiedung Geltung zu verschaffen.«

Unsere Vermutung zu Beginn der Studie, dass das Thema stark emotionalisiert und kontrovers diskutiert würde, bestätigt sich. Dabei nehmen verschiedene Leser gegen den Meinungstrend Stellung: Anfang Januar, als die Medien das Rauchverbot positiv beschreiben, solidarisieren sich Leser mit Helmut Schmidt: »Zum Glück gibt es Menschen wie den früheren Kanzler Helmut Schmidt, die sich von kleingeistiger Massenhysterie ‚Rauchen schadet‘ nicht unterkriegen lassen.« (Süddeutsche Zeitung vom 3. Januar). Als im März die Medien über Lockerungen berichten und diese positiv kommentieren, gibt es Zuschriften wie diese: »Das Rauchverbot zu lockern, wäre eine Farce. Wir sprechen deutschlandweit von fast 300 Nichtrauchern, die jedes Jahr an passivrauchbedingtem Lungenkrebs erkranken, sowie von rund 3.000 passivrauchbedingten Todesfällen. Das strikte Rauchverbot muss aufrechterhalten bleiben und Schlupflöcher gestopft werden.« (SZ vom 5. März).

In der FAZ kommen im selben Zeitraum nur fünf Leser zu Wort, die das Rauchverbot diskutieren, und auch dort gehen die Meinungen auseinander. Die Frankfurter Rundschau kann nur drei Leserbriefe zum Thema publizieren.

Intensität (Texthäufigkeit)

Die Grafik »Anzahl der Beiträge« (vgl. Seite 21) zeigt, dass die Zeitungen das Thema keineswegs synchron abgehandelt haben. Die Welt und abgeschwächt auch die FAZ berichten und kommentieren anfangs mit Abstand am intensivsten (der legalistische Standpunkt pro Raucherschutz dominiert); die mit den Vorgängen in Bayern befasste Süddeutsche erreicht ihren Berichterstattungshöhepunkt erst im März (mit der Politisierung des Themas in Bayern).

Die Grafik »Intensität der Berichterstattung« (vgl. Seite 21) macht deutlich, dass die Themenattraktion zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am größten ist, im März wegen der Vorgänge in Bayern auf deutlich tieferem Niveau nochmals ansteigt, in den folgenden Wochen aber nachlässt. Die Verläufe zeigen die je Titel unterschiedlichen Schwerpunkte und die Ausnahmestellung der Süddeutschen Zeitung.

Interesse der A-Blogger am Rauchverbot

Wir nehmen an, dass die reichweitenstarken deutschen General-Interest-Blogs das emotional aufgeladene und in den Medien kontrovers debattierte Konfliktthema »Rauchverbot« aufgreifen und – mit medienkritischem Touch – vermutlich kontrovers diskutieren, zumal es vor allem junge Erwachsene besonders betrifft. Die Suche in den fünf themenoffenen Blogs ergibt indessen ein anderes Bild:

  • Basicthinking (www.basicthinking.de/blog): Der Blog steht seit langer Zeit auf dem ersten Platz unter den »deutschen Blogcharts«. Er weist die meisten Links auf. Unsere Suche nach »rauchverbot« liefert zwei Treffer, die indessen bereits 2007 gepostet worden sind. Der erste stammt vom 26.11.2007 und verlinkt auf einen Beitrag aus dem Blog »Gedankensplitter Gastgewerbe«, wo mutmaßliche Effekte des Rauchverbots in Baden-Württemberg und Niedersachsen erörtert werden (»Jeder vierte Betrieb erleidet Gästeschwund«). In immerhin 59 Kommentaren äußern sich Leser von Basicthinking in den folgenden Tagen zum Für und Wider des Rauchverbots. Der zweite Beitrag stammt vom 4.12.2007. Auf acht Zeilen werden dem Leser drei Links geboten, die auf andere Blogeinträge verweisen, in denen die Alternative »Raucherclub« diskutiert werden. Das war’s.
  • Spreeblick (www.spreeblick.com): Hier ergibt die Suche zwar drei Treffer, doch keiner der gefundenen Beiträge hat das Thema Rauchverbot als Themenschwerpunkt; das Suchwort kommt vielmehr in anderen Zusammenhängen vor. Auch Alternativsuchbegriffe (wie: »Raucher«, »Rauchen«, »Nichtraucherschutz«) führen zu keinen themenzentrierten Beiträgen.
  • Politblog (www.politblog.net): Obwohl das Thema spätestens seit März politisch besetzt ist, lassen sich weder unter »Rauchverbot«, noch unter verschiedenen alternativen Suchwörtern Beiträge mit inhaltlichen Aussagen finden.
  • Stefan Niggemeier (www.stefan-niggemeier. de): Auch hier taucht in den vergangenen Jahren und Monaten kein Beitrag auf, der sich mit dem »Medienereignis Rauchverbot« auseinandersetzt. Der Begriff kommt lediglich zweimal als inhaltlich bedeutungsloser Randaspekt vor.
  • Sichelputzer (www.sichelputzer.de): Mike Schnoor, Betreiber des Medienblogs, hat in dem von uns untersuchten Zeitraum keinen Beitrag zum Thema geschrieben. Die beiden Treffer, die sich bei der Suche nach »Rauchverbot« ergeben, stammen vom Februar 2006 und Juni 2007.

Fazit: Die fünf reichweitenstarken Blogs haben sich für das aktuelle Konfliktthema »Rauchverbot« nicht interessiert. Beiträge und Kommentare gibt es wenn, dann aus der Zeit, als das Verbot noch nicht Realität war. Da unsere Printmedienanalyse mit dem 1. Januar beginnt (wir wissen nicht, ob und wie viel die Zeitungen hierzu 2007 berichtet haben), stünde die These in der Luft, die Blogs hätten das Thema bereits vor den Journalisten abgehandelt.

Diskussion der Wald-, Feld-, Wiesen-Blogs

Um die gesamte deutschsprachige Blogosphäre abzusuchen, haben wir in erster Linie auf Blogpulse.com zurückgegriffen, ein Tool zur Itemsuche in Blogs. Zwar ist Blogpulse eine Suchmaschine für alle Blogs weltweit; doch das von uns behandelte Thema ist mit dem Wort »Rauchverbot« an die deutsche Sprache gebunden. Die Treffer beziehen sich demnach auf Blogs des deutschen Sprachraums.

Die Grafik auf Seite 22 (oben) zeigt in relativen Zahlen, wie oft »Rauchverbot« in sämtlichen Blogeinträgen des ersten Halbjahres 2008 vorkommt. Dabei zeigt die y-Achse den Anteil an allen erfassten Blogs, die x-Achse den zeitlichen Verlauf. Es wird deutlich, dass vor allem in der ersten und letzten Januarwoche, dann in der Februarmitte das Thema manche Blogleser beschäftigt. Von da an spielt das Thema praktisch keine Rolle mehr: Während von Januar bis Mitte Februar 0,007 Prozent aller Blogeinträge (weltweit) das Wort »Rauchverbot« beinhalten, sackt der Anteil zunächst auf die Hälfte, dann auf ein Viertel ab.

Der Spitzenwert von 0,007 Prozent bezieht sich auf den 3. Januar und resultiert aus genau 56 Blogeinträgen, die sich mehrheitlich mit dem von den Medien berichteten und diskutierten Beginn des Rauchverbots in den Bundesländern informativ befassen – unter Überschriften, wie: »Das bringt 2008«. Der Großteil der Treffer gehört zu unbekannten, in der Art des Journals verfassten privaten Blogs.

Der zweite sprunghafte Anstieg am 25. und 26. Januar geht auf Schlagzeilen zurück, die Helmut Schmidts Verhalten ausgelöst haben. Spiegel Online titelt am 25. Januar: »Altkanzler Schmidt raucht trotz Verbot – der Staatsanwalt ermittelt«. Auch der dritte Höhepunkt am 14. Februar erklärt sich mit dem Protest des Altkanzlers Helmut Schmidt, der sich den Zurechtweisungen widersetzt und zum Identifikationsobjekt für Verweigerer wird.

Interessant dabei: Dieser Vorfall wird zwar auch in den Printmedien erörtert, aber bei weitem nicht so intensiv wie in der Bloggerszene. Auch der folgende folgende, nochmals abgeschwächte Peak (4. März) folgt auf Medienberichte, diesmal über neue Gerichtsurteile in einzelnen Bundesländern und die schlechten Umfragewerte für die CSU. Mit der Politisierung des Themas befassen sich nur 23 Blogger.

Fazit: Die Vermutung, das insbesondere unter jungen Erwachsenen ambivalent beurteilte Konfliktthema »Rauchverbot« würde in den deutschen Blogs intensiv diskutiert, erweist sich als unzutreffend. Nicht nur die populären A-Blogger, auch die zahllosen kleineren Blogs haben keinen Diskussionsbedarf. Bei geschätzten rund 150.000 deutschsprachigen Kommentierungen pro Tag gelten nur 0,005 Prozent unserem Thema.

Vergleich mit anderen Themen

Was genau bedeuten diese 0,005 Prozent? Solche Prozent angaben von Blogpulse lassen keine gewichtende Aussagen zu über die quantitative Relevanz des Themas. Denn es könnte ja sein, dass überhaupt kein Thema, das über einen singulären Begriff identifiziert wird, im Insgesamt der Blogs eine deutlich größere Resonanz findet.

Wir haben deshalb einen Vergleich mit einigen zeitgleich ablaufenden, die Blogosphäre selbst betreffenden Themen durchgeführt (vgl. Grafiken links), die sich ähnlich eindeutig auf deutsche Begriffe einschränken lassen wie »Rauchverbot«.

  • Vergleich mit der Diskussion rund um das Social Network »StudiVZ«: Die Diskussion hatte ihre verschiedenen Höhepunkte bereits im Vorjahr (Kommerzialisierung, Datensicherheit u.a.m.). Gleichwohl wird in dem von uns untersuchten Zeitraum in der Blogosphäre über das »StudiVZ« deutlich häufiger geschrieben als über »Rauchverbot«.
    Es fällt auf, dass »StudiVZ« die Szene über die Monate hinweg konstant um etwa das Dreifache beschäftigt als das Thema »Rauchverbot«. Die Verzehnfachung der Erwähnung von »Studivz« bzw. »studi-vz« in den Blogs in der Zeit vom 24. bis zum 27. Februar geht auf Presseberichte zurück, denen zufolge der Betreiber auch persönliche Daten der Teilnehmer weitergebe.
    Eine weitere Spitze bringt die Meldung in Spiegel Online am 27. Februar: »Dürfen Internet-Communitys Behörden die Klarnamen von Nutzern verraten, die Bilder von Kiff-Runden oder volksverhetzende Texte veröffentlichen? Ja, sagt StudiVZ-Geschäfts führer Marcus Riecke. Im Spiegel-Online-Interview spricht er über Ermittler anfragen, Pornofilter, Werbung und das neue StudiVZ-Netz für ältere Nutzer.«
  • Vergleich mit dem Thema »Vorratsdatenspeicherung «: Auf der Website von Spiegel Online ist am 14. März 2008 zu lesen, dass »Datenschutz, die Sorge um die Privatsphäre und den persönlichen Bereich (…) der großen Mehrheit der Bevölkerung kein Anliegen« ist.
    In der Bloggerszene indessen steht »Datenschutz« im direkten Zusammenhang mit dem sensiblen Thema »Gewährleistung der eigenen Anony mität«. Dieser Kontext bestätigt sich, wenn die Diskussion des Topos »Vorratsdatenspeicherung« nachge zeichnet wird. Ebenfalls Anfang Januar stellt die Regie r ung ihre neue Gesetzgebung vor; die Diskussion in der Bloggerszene ist sogleich um das Dreifache intensiver als jene zum Thema »Rauchverbot«.
    In den folgenden Wochen steigt jeweils wenige Stunden nach Veröffentlichung neuer Berichte auf Spiegel Online der Peak in der Bloggerszene. In den Tagen vom 14. bis 19. März behandeln alle Mainstream-Medien das zu erwartende Bundesverfassungsgerichtsurteil über die (Un-)Rechtmäßigkeit des neuen Gesetzes. Einen Tag nach der von Spiegel Online berichteten BVerfG-Entscheidung erreicht die Diskussion in den Blogs mit 219 Treffern ihren Höhepunkt.

Fazit: Nach Maßgabe des Themenbeispiels »Rauchverbot« kann festgestellt werden: In der Welt der Blogger besitzen die Themen, die sich unmittelbar auf das Bloggen beziehen, eine deutlich höhere Attraktivität als aktuelle soziale Konfliktthemen, selbst wenn diese das Alltagsleben der jungen Erwachsenen und somit auch der Blogger unmittelbar betreffen.

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