Urheberrecht
Handhabe gegen den Bilderklau

In der Fotobranche herrscht kein einheitlicher Umgang mit Urheberrechtsverletzungen. Fotografen und Agenturen nutzen ihre rechtlichen Möglichkeiten oft nicht optimal aus.

von Endress Wanckel

Der Gesetzgeber wollte Urhebern mit den letzten Änderungen des Urhebergesetzes (UrhG) Anfang 2009 etwas Gutes tun. Die Durchsetzung der Rechte zum Schutze des geistigen Eigentums sollte vereinfacht und verbessert werden.

Doch gerade eine dieser Änderungen sorgt bei vielen Fotografen für Irritationen. Sie betrifft § 97 des Urhebergesetzes. Diese Vorschrift bestimmt schon seit 1965, dass bei unberechtigten Nutzungen von Fotos Schadensersatz verlangt werden kann. Bisher blieb aber weitgehend offen, wie dieser Schadensersatz berechnet werden darf.

Unklarheit über die Rechtslage

Neu eingefügt wurde in § 97 UrhG die Passage: »Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte«. Soweit nichts Neues, denn die Rechtsprechung hatte die Schadensberechnung auf Basis der Lizenzgebühr schon seit Jahren als eine von drei Methoden akzeptiert. Schon die Formulierung »kann auch« verdeutlicht, dass dies auch zukünftig nicht die einzige zulässige Methode ist, um den Schaden zu beziffern.

Dennoch ist die falsche Vorstellung weit verbreitet, der Gesetzgeber hätte den Urhebern mit der Änderung ihre Rechte beschränkt statt verbessert: Es sei jetzt unmöglich, höhere Beträge als das übliche Honorar zu verlangen.

»Verletzerzuschlag« auch zukünftig möglich

Doch das ist in dieser Pauschalität nicht richtig. Zum einen ist es auch zukünftig möglich, einen sogenannten Verletzerzuschlag zu verlangen.

Ein solcher Zuschlag kann auf vertraglicher Basis wie zum Beispiel allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) festgeschrieben werden – werden Fotos unberechtigt genutzt, wird ein Schadensersatz auf die sonst vom Fotografen übliche Lizenzgebühr zugeschlagen.

Zum anderen wird die Höhe des Schadensersatzes vor Gericht wie bisher im Wege der richterlichen Schadensschätzung (§ 287 ZPO) festgesetzt und entschieden, was eine »angemessene Vergütung« im Sinne des Gesetzes ist. So ist es möglich, durch eine fundierte Argumentation hohe Beträge durchzusetzen. Als Anknüpfungspunkt zur Bemessung des berechtigten Schadensersatzes nennt das Gesetz alternativ auch den Gewinn, den der Urheberrechtsverletzer aus der Nutzung erzielt hat.
Mit der Neuformulierung wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass der rechtswidrige Nutzer mindestens das übliche Honorar zu zahlen hat. Eine strikte Begrenzung auf diesen Betrag ergibt sich hingegen nicht.

Die EU-Richtlinie, die bei der Anwendung des deutschen Rechts stets zu beachten ist, fordert zur Durchsetzung des geistigen Eigentums, dass Ansprüche »wirksam« und »abschreckend« sein müssen (Artikel 13 I. 2.b). Sie gibt auch vor, dass ein Schadensersatz mindestens dem Betrag der Vergütung entsprechen muss, den der Verletzer hätte bezahlen müssen, wenn er ordnungsgemäß ein Nutzungsrecht eingeholt hätte. Von einer Begrenzung nach oben ist auch in der EU-Richtlinie keine Rede. Abschreckend ist aber nur ein Schadensersatz, der höher ist als das normale Honorar.

Umfrage zum Umgang mit dem Bilderklau

Eine vom Autor Mitte 2009 durchgeführte bundesweite Umfrage unter professionellen Fotografen und Bildagenturen zeigt, dass in der Branche keine Einigkeit beim praktischen Umgang mit unerlaubten Fotonutzungen und deren Schadensberechnung besteht. Wann und in welcher Höhe Zuschläge auf das übliche Nutzungshonorar verlangt werden, wird unterschiedlich gehandhabt: Nur vier Prozent der Befragten finden einen Zuschlag auf das übliche Honorar unangemessen.

Rund ein Drittel arbeitet auf der Basis allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB), die solche Zuschläge festschreiben, insbesondere wenn die Urheberbezeichnung fehlt. Dabei fordert die Mehrzahl der Befragten per AGB einen Zuschlag in Höhe von 100 Prozent.

Bei unberechtigter Nutzung mit richtiger Urheberbezeichnung erhebt rund ein Viertel der Befragten einen Verletzerzuschlag bei unberechtigten Nutzungen per AGB, auch dort meist in Höhe von 100 Prozent, einige wenige begnügen sich mit 10 oder 50 Prozent. Wiederum einige wenige verlangen sogar einen Zuschlag von 500 Prozent, den das Oberlandesgericht Celle vor längerer Zeit aufgrund einer entsprechenden Regelung in den AGB für rechtmäßig gehalten hat (Urteile vom 14.5.1997, Az.13 U 81/96, 13 U 139/96).

Copyright-Vermerke können abschrecken

Überraschend ist: Nur rund ein Drittel der Befragten würde es begrüßen, wenn der Gesetzgeber einen Zuschlag verbindlich festschreiben würde. Die Angst vor Kundenverlusten scheint größer zu sein als der Wunsch nach einer klaren Rechtslage und ernsthaft abschreckenden Schadensersatzansprüchen.

Selbst unter den Befürwortern des gesetzlichen Verletzerzuschlags fällt dessen gewünschte Höhe moderat aus: Überwiegend werden 50 bis 100 Prozent für angemessen gehalten. Der Bilderklau ist ein weitverbreitetes Problem: Jeder zweite Befragte gab an »viel zu oft« Kenntnis von unerlaubten Nutzungen zu erhalten. Auch ist die Angst groß, Opfer von unberechtigten Nutzungen zu werden, ohne dies mitzubekommen. Keiner der Befragten war der Meinung, seine Bilder effizient vor Diebstahl schützen zu können.

Und in der Tat: Wasserzeichen, typische Copyright-Vermerke (©) und andere Kennzeichnungen erfüllen zwar eine wichtige Warn- und Hinweisfunktion und können abschrecken – unerlaubte Nutzungen verhindern sie in der Regel sicher nicht. Es führt daher kein Weg daran vorbei, sich der Problematik in der Weise zu stellen, unberechtigte Nutzungen stets mit juristischen Mitteln zu verfolgen.

Der damit verbundene Aufwand kann sich durchaus auch wirtschaftlich lohnen: Der Umfrage nach werden 10 bis 20 Prozent des Jahresumsatzes mit Schadensersatzzahlungen aus unberechtigten Nutzungen erwirtschaftet. In einem Fall wurde sogar eine Quote von 50 Prozent genannt. Umgekehrt bedeutet dies: Wer sich um das Thema überhaupt nicht kümmert, überlässt unter Umständen die Hälfte seines Umsatzes den rechtswidrigen Nutzern.

Unerlaubte Zusatznutzungen

Die größte Gefahrenquelle stellt das Internet dar. Urheberrechtsverletzungen geschehen nicht nur durch ungenehmigte Veröffentlichungen, sondern auch durch unerlaubte Zusatznutzungen von Lizenznehmern, die nur Druckrechte erworben haben, dann aber die Fotos auch online stellen, zum Beispiel als E-Paper oder PDF-Version von Katalogen und Broschüren.

Die Befragten sehen diese Gefahr bei den klassischen Printmedien kaum: rund 10 Prozent bei Zeitungen, 16 Prozent bei Zeitschriften und 10 Prozent bei Büchern. Im Bereich der Werbung sehen sich 19 Prozent der Befragten betroffen. Knapp 10 Prozent beklagten sogar unberechtigte Nutzungen durch andere Fotografen und Agenturen. Je nach thematischer Spezialisierung des Fotografen oder der Bildagentur werden Bilder ferner auch in Kalendern, Katalogen, Broschüren und Lehrmaterialien sowie auf Postkarten, Verpackungen und Etiketten unerlaubt genutzt.

Verletzungen schwierig zu recherchieren

Das größte Problem bei der Verfolgung rechtswidriger Nutzungen von Fotos bleibt jedoch deren Entdeckung: So stoßen zwei Drittel der Befragten nur durch Zufall auf Urheberrechtsverletzungen. Andererseits nehmen sich die wenigsten ausreichend Zeit, regelmäßig nach unberechtigten Bildnutzungen zu fahnden. Die, die sich die Zeit nehmen, werten hauptsächlich Printpublikationen systematisch aus und recherchieren im Internet nach ihren Bildern.

Eine weitere Recherchemethode ist die Überprüfung von Buchneuauflagen, wenn Nutzungsrechte nur für die erste Auflage vergeben wurden, oder auch von Auslands-auflagen, sofern keine weltweiten Lizenzen erteilt wurden. Auch bei Nutzern, die Downloads von Datenbanken getätigt haben, fragen Fotografen direkt nach.

Bildjournalisten, die für Tageszeitungen und Zeitschriften arbeiten, kontrollieren deren Internetseiten und auch die Webseiten von Unternehmen und Personen, die sie für die Zeitung fotografiert haben. Denn nicht selten werden positive Zeitungsartikel mitsamt der Fotos für die eigene Öffentlichkeitsarbeit übernommen. Manchmal geschieht dies mit Zustimmung der Zeitung oder Zeitschrift, aus der kopiert wurde. In der Regel hat der Fotograf der Zeitung aber kein Recht einer solchen Drittnutzung erteilt.

Auch eine Suchmaschinenrecherche – mit Schlagwörtern, die den Inhalt des Fotos beschreiben sowie den Namen oder übliche Urheberkürzel des Bildautoren – bringt oft Treffer. In vielen Fällen werden unberechtigte Veröffentlichungen wenigstens mit einem Urhebervermerk versehen und sind so online auffindbar. Nur größere Agenturen leisten sich den Luxus, professionelle Rechercheunternehmen wie zum Beispiel den israelischen Anbieter PicScout (picscout.com) kontinuierlich nach unberechtigten Fotonutzungen – auch wenn die Bilder bearbeitet und verändert sind – suchen zu lassen. Trotzdem ist der Einsatz dieser an sich sinnvollen externen Hilfe nicht weitverbreitet – nicht nur aufgrund der Kosten. Vielen erscheint der Aufwand zu groß, ihre Bilder dort im geeigneten Format zu hinterlegen und den Umfang der Recherche abzustimmen.

Unklarheit über rechtliche Schritte

Uneinheitlich ist der Umgang mit unberechtigten Nutzungen. Knapp ein Drittel der Befragten beauftragt gleich einen Anwalt mit einer förmlichen Abmahnung und der Durchsetzung der Schadensersatzforderung.

Wenige gehen ohne Anwalt vor und fordern den Verletzer auf, die Nutzung zu beenden, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben und Schadensersatz zu zahlen. Über ein Drittel tritt zunächst formlos direkt an den Gegner heran, meist einfach nur telefonisch – aus juristischer Sicht wenig empfehlenswert, da es die Beweislage oft noch zusätzlich erschwert.

Knapp jeder Zweite, der die Sache selbst in die Hand nimmt, schickt dem Gegner einfach nur eine Rechnung, teils sogar ohne erläuterndes Anschreiben. Solche Strategien sind aber allenfalls dann zu empfehlen, wenn schon zu Beginn absehbar ist, dass es nicht zu einer streitigen Auseinandersetzung kommt.

In allen anderen Fällen kann das eigenständige, »unjuristische« Vorgehen aus vielen Gründen die Durchsetzung berechtigter Ansprüche erschweren – wenn der Verletzer die Sache verschleppt, sich uneinsichtig zeigt und er es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen lässt.

Einstweilige Verfügung am praktikabelsten

Die Erfahrung zeigt, dass in derartigen Fällen oft eine einstweilige Verfügung – also ein gerichtliches Verbot der zukünftigen Nutzung der Bilder – das Mittel der Wahl ist, um einen zunächst unkooperativen Gegner zur Einsicht zu bringen, auch ohne langwierigen Prozess, Schadensersatz zu zahlen. Denn das Gericht prüft dabei in einem schnellen und unkomplizierten Verfahren, ob tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung vorliegt.

Beim Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung muss der Fotograf keinen Gerichtskostenvorschuss zahlen. Das Gericht lässt sich seine Kosten, nachdem die einstweilige Verfügung zugestellt wurde, direkt vom Verletzer erstatten. Auch der eigene Anwalt, der den Antrag gestellt hat, kann seine Kosten direkt beim Gegner eintreiben, erforderlichenfalls sogar mit einem Gerichtsvollzieher. Nach einem solchen »Schuss vor den Bug« wird den meisten Verletzern klar, dass sie keine Chance mehr haben, sich aus der Verantwortung für ihre Urheberrechtsverletzung zu stehlen und zahlen auch Schadensersatz, ohne es auf einen weiteren Prozess ankommen zu lassen.
Allerdings bestehen auch bei völlig klaren Urheberrechtsverstößen zahlreiche formale Fallstricke, die eine einstweilige Verfügung unmöglich machen können: Erforderlich ist vorab eine schriftliche Abmahnung, die alle Förmlichkeiten erfüllt.

Die Abmahnung muss unter Fristsetzung klar und deutlich machen, was der Gegner zukünftig unterlassen soll. Dazu wird eine sogenannte strafbewährte Unterlassungserklärung zur Unterschrift beigefügt, deren Formulierung sich in jedem Einzelfall an dessen besonderen Umständen zu orientieren hat. Mit formularartigen Vorlagen kommt man in der Regel nicht zum gewünschten Ergebnis.

Eine einstweilige Verfügung kann nur beantragt werden, wenn alle Schritte »unverzüglich« ab der erstmaligen Kenntnis der rechtswidrigen Nutzung erfolgen, im Normalfall binnen zwei Wochen. Wer sich also zu lange auf unergiebige Korrespondenzen oder eine »Hinhaltetaktik« des Gegners einlässt, kann allein deshalb die strategisch wichtige Möglichkeit der einstweiligen Verfügung verlieren.

Bagatellfall: Foto für private Zwecke

Gesetz und Gerichte akzeptieren ausdrücklich, dass im Urheberrecht professionelle anwaltliche Hilfe erforderlich ist. Da diese Kosten nicht zu Lasten des Urhebers gehen sollen, besteht ein Anspruch auf Übernahme der Anwaltskosten durch den Verletzer. Aber auch in diesem Punkt kursieren in der Branche gefährliche Halbwahrheiten: Es ist nicht richtig, dass der Verletzer stets nur maximal Kosten in Höhe von 100 Euro tragen muss.

Der neu eingeführte § 97 a UrhG bestimmt dies nur für einfach gelagerte Fälle mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung »außerhalb des geschäftlichen Verkehrs«. Gemeint ist damit zum Beispiel eine unberechtigte Fotonutzung auf einer Einladung zu einer rein privaten Geburtstagsfeier, also echte Bagatellfälle. Ist diese Grenze überschritten, zum Beispiel wenn es sich um die Einladung zu einem Firmenjubiläum handelt, muss der Übeltäter die vollen Anwaltskosten bezahlen – zusätzlich zur Nutzungsentschädigung.

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