Kriegsreporter
Schulterklopfen am Hindukusch
O-Ton aus Afghanistan? Eher ein Alibi. Kritische Distanz? Längst passé. Die deutschen Kriegsreporter lassen sich vereinnahmen und gängeln – und erliegen politisch-militärischer Propaganda.
von Ulrich Tilgner
Wenn unbemannte Flugzeuge in der Bergwelt Afghanistans Aufständische in Höhlen aufspüren und angreifen, kann man davon ausgehen, dass US-Streitkräfte im Einsatz sind. Aber dass Offiziere in Kommandoständen der Luftwaffe in Nordamerika die Drohnen lenken, Raketen zünden und die Geschosse sogar noch bis ins Ziel leiten, überrascht doch. Bis heute werden die Möglichkeiten der modernsten Kommunikationstechniken unterschätzt.
Militärs sind stolz, wenn es ihnen gelingt, ohne Soldaten Krieg zu führen. Vergleichbar groß wäre sicher die Freude in vielen Redaktionen, wenn sie ihre Korrespondenten vor Ort durch Roboter ersetzen könnten. Doch anders als militärische Führungsstäbe versuchen Redaktionen die eigenen Leute so weit wie möglich am Ort des Geschehens zu platzieren. Sind die Mittel vorhanden, wird keine Mühe gescheut, um ihren Einsatz wirkungsvoll zu inszenieren. Denn in Zeiten der Medienkrise gilt es Quoten zu steigern.
Dem Eifer, mit Präsenz eine möglichst große Authentizität zu erzeugen, wird oft das Interesse untergeordnet, die Lage vor Ort abzubilden und zu erklären. Manchmal gelingt es nur, den Schein von Authentizität zu erzeugen. Dieser Mangel aber kann verkraftet werden: Der Korrespondent dient immer häufiger nur dazu, mit seinen Beiträgen Mosaiksteine für ein bereits fertig geplantes Gesamtwerk der Redaktion zu liefern.
Informationen im Überfluss
Die Entwertung der Arbeit an entfernt liegenden Schauplätzen fällt leicht, weil Informationen in den Redaktionen im Überfluss vorhanden sind. Redakteure in der Zentrale nutzen ihre Kenntnis der sogenannten Nachrichtenlage, um die Beiträge über Ereignisse in anderen Teilen der Welt immer stärker mitzugestalten oder sie gar selbst aus leicht zugängigen Berichten der Agenturen herzustellen.
Korrespondenten werden aufgefordert, für ihre Beiträge bestimmte Aufnahmen zu nutzen oder bestimmte Fakten darzulegen. Diese manchmal dominante Einflussnahme der Redaktionen hat sich schleichend entwickelt. Sie nutzen ihren Informationsvorsprung bei Katastrophen und in Krisenzeiten, um den Anpassungsdruck auf die Korrespondenten zu erhöhen. Dem standzuhalten, fällt dem Korrespondenten vor Ort immer schwerer. In Stresssituationen steht nicht mehr das Überprüfen oder Gewinnen von Erkenntnissen im Zentrum der Arbeit, sondern das Verbreiten vorgegebener Informationen. Dies kann weitreichende Konsequenzen haben.
Überwachung und Zensur
Während der Vorbereitung und im Verlauf des Irak-Krieges gab es eine Kette von Falschmeldungen, die verbreitet wurden, ohne dass Korrespondenten vor Ort die Möglichkeit hatten, die Informationen auch nur zu relativieren.
Zu welch absurden Ritualen diese redaktionelle Steuerung führt, habe ich das erste Mal während des Kuwait-Krieges 1991 erlebt. Allabendlich wurde meinem Beitrag eine Moderatorenbemerkung über die nahezu totale Überwachung und Zensur vorangestellt, der ich angeblich ausgeliefert war. Es dauerte eine Zeit, bis ich mich mit dieser öffentlichen Entwertung der eigenen Arbeit abgefunden hatte. Immer wieder fragte mich der Moderator in der laufenden Sendung etwa, ob ein Zensor während des Interviews neben mir stehe. Ich habe dies dann bejaht, weil ich froh war, dass es nicht so war. Andernfalls wäre das Risiko gestiegen, dass der mir tatsächlich zugeteilte Zensor bestraft und mir ein neuer zur Seite gestellt worden wäre, der seine Aufgabe dann ernst genommen hätte.
Auch die Vorbemerkung, dass …
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