Editorial
die alte Kinderfrage lautete: Wer entscheidet, was die Medien bringen und was nicht? Und die alte Kinderantwort hieß: die Journalisten natürlich. Aber wie entscheiden sie?
Gewiss sind es noch immer (meist) die Redakteure, die festlegen, was auf die Titelseite oder in die Nachrichtensendung kommt. Aber welche Informationen liegen ihnen zur Auswahl vor? Von wem stammen sie? Und warum entscheiden sie genau so?
Früher hat man die so genannten Nachrichtenwerte angeführt, zudem den »öffentlichen Auftrag« zitiert und geantwortet: Weil die Journalisten gelernt haben, das Relevante vom Beliebigen, das Zutreffende vom Ungesicherten zu unterscheiden. Und, tun sie es auch?
Man ist vorsichtig geworden. Wer die tagtägliche Medienproduktion kritisch beobachtet, dem fällt auf, dass Journalisten oftmals die problemverdeckenden Phrasen der Politik-Akteure nachplappern und ihren Aufklärungsauftrag vergessen (was dagegen zu tun ist, diskutieren Journalisten auf unserem »Podium« Seiten 78 bis 85).
Nicht Aufklären, sondern Übernehmen: Man staunt auch immer wieder über die Willfährigkeit zahlloser Journalisten in Europa, die sich in Hardselling-Kampagnen einspannen lassen, in unserem Fall von der Pharma-Industrie. Immerhin: Es sind packende journalistische Recherchen, die dies aufgedeckt haben (Seiten 60 bis 69).
Ablenkung statt Aufklärung: Diese Generalstrategie muss man auch hinter der Produktion medialer Prominenz vermuten. Deren Nachrichtenwerte heißen Tabubruch und Voyeurismus. Und beides beherrschen die Nachrichtengeber inklusive Staatsanwaltschaften inzwischen virtuos, wie die Fälle Benaissa und Kachelmann illustrieren: Hier werden Journalisten nach dem Muster »dem Affen Zucker geben« selbst renommierter Magazine zum Tanzen gebracht (Seiten 48 bis 55).
Im Übrigen gab es auch »echte« Katastrophen – erinnern Sie sich? Welche Informationen und welche Nachrichtenwerte waren wohl für die Journalisten in West (Öl im Golf vom Mexiko) und in Ost (Überschwemmung Pakistan) maßgeblich? Haben sich die Medienmacher dem Hang zum »Katastrophismus« widersetzen können? Blieben sie ihrem Kerngeschäft – Aufklärung leisten – treu? Wir haben Reporter am Ort des Geschehens gefragt. Ihre erhellenden Analysen finden Sie auf den Seiten 10 bis 23. Sie zeigen auch, dass der Journalismus selbst katastrophisch werden kann.
Medien machen Glauben, Katastrophen würden urwüchsig über uns hereinzubrechen und müssten nach dem Muster »Unglück« beschrieben werden. Ganz anders Kriege und Krisen. Hier ist den Reportern klar, dass sie von A bis Z von Menschen gemacht sind. So auch der wieder aktuelle Nahost-Konflikt. Zwei Autorinnen haben in Israel und Palästina die heikle Arbeit der Korrespondenten und Stringer beobachtet. Ihre aufschlussreichen Befunde finden Sie auf den Seiten 24 bis 33.
Dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch die übrigen Themen und Texte dieser Ausgabe mit Gewinn lesen, dies wünscht sich
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