Forschung
Öffentlichkeit für Rügen
Der Deutsche Presserat hat die Kontroll-Funktion imPressewesen: Wo herrschen Missstände? Wo werden Verhaltensregelnverletzt? Eine Studie untersuchte, wie Tageszeitungen über dieseArbeit berichten.
von Michael Ludwig
Duisburg, Love Parade 2010: 21 Menschen sterben während einerMassenpanik und dutzende werden verletzt. Wie kann ein Journalistangemessen über einen solchen Vorgang berichten?
Publizistische Richtlinien gibt der Pressekodex vor. Doch nichtjedes Medium hält sich an diese Regeln, deshalb gab es viel Kritikan der Berichterstattung. Der Deutsche Presserat istbekanntlich die Instanz, an die sich jeder Bürger und jedeInstitution mit Kritik an Medienberichten, die nicht aus demRundfunk stammen, wenden kann. Doch das Gremium befasst sich nicht nurmit Beschwerden, sondern bearbeitet auch von sich aus ethischeProblemfelder und unterbreitet seinen Mitgliedern –Presseverlagen und Berufsverbänden – auch malLösungsvorschläge.
Wie wirksam istPresse-Selbstkontrolle?
Die Frage ist nun, wie stark die Arbeit dieser Instanzöffentlich wahrgenommen wird: Berichten Tageszeitungen nurwährend solcher Katastrophen wie jüngst in Duisburg überden Presserat, weil Missstände vor allem dann zutage treten?
Im Mittelpunkt der Presserats-Veröffentlichungen stehenzweifelsohne die Berichte der beidenBeschwerdeausschüsse. Sie verhandeln über die vonLesern als Beschwerdeführer eingesandten Presseberichte. Wird eineVerletzung des Kodexes erkannt, kann das Gremium mit Rüge,Missbilligung und Hinweisen reagieren. Damit der Rat seinerTätigkeit wirkungsvoll nachgehen kann, muss kontinuierlichberichtet werden. Denn nur wenn die Leser und User Rügenwahrnehmen und die gerügte Berichterstattung kritischhinterfragen, erreichen die symbolischen Sanktionen ihr Ziel. Es istnun aufschlussreich, wie umfassend und mit welchenBewertungen die meinungsführende Tagespresse aus der Arbeit desPresserats berichtet.
Deshalb habe ich in meiner Studie fünf überregionaleTageszeitungen untersucht: die Frankfurter Allgemeine Zeitung(Faz), die Welt, die Frankfurter Rundschau (FR), die SüddeutscheZeitung (SZ) und die Tageszeitung (Taz). Diese Zeitungen wurdenausgewählt, weil sie als Qualitätszeitungen zurMeinungsbildung beitragen und ausfürlich über Medien-Themenberichten. Die Untersuchung umfasst fünf Jahre, 2003 bis 2007. Indiesem Zeitraum wurden alle Beiträge untersucht, die vom DeutschenPresserat oder dem Pressekodex handelten. Der größte Teilder Berichte stammte aus dem Medien-Ressort.
Von 2003 bis 2007 thematisierten 339 Beiträge die InstitutionPresserat oder den Berufskodex. Das bedeutet theoretisch ein bis zweiBeiträge pro Monat und Medium. Eine detaillierte Untersuchungzeigt die Unterschiede auf: die Faz und die Welt berichten etwa einmalpro Monat, die FR, SZ und die Taz etwa doppelt so häufig.
Missstände an den Pranger
Wenn sich ein Beitrag mit den Hintergründen derPresse-Selbstkontrolle befasst, dann hat das einen anderenStellenwert, als wenn nur knapp über Rügen informiertwird. Deshalb wurde auch analysiert, mit welcher Tiefe berichtet wurde.
In 72 Prozent der untersuchten Beiträge steht der Presseratoder der Pressekodex im Mittelpunkt der Berichterstattung. In denrestlichen 28 Prozent der Artikel wird er lediglich erwähnt.Dementsprechend konnten etwa fünf bis zehn Beiträge pro Jahrund Medium herausgefiltert werden, die ausführlich über denPresserat berichten.
Die grundsätzlichen Aufgaben des Presserats spiegeln sich auchin der Berichterstattung wider: In 61 Prozent der Artikel tritt derPresserat als Organisation der Selbstkontrolle in Erscheinung, dieBeschwerden bearbeitet und journalistische Missstände anprangert.Zur Kontroll-Aufgabe zählt auch das Fortschreiben derpublizistischen Grundsätze, welches in 8 Prozent allerBeiträge erörtert wird.
In einem weiteren großen Aufgabenbereich tritt der Presseratals Hüter der Standesinteressen auf. Über diese Rolle wirdjedoch in wesentlich geringerem Umfang berichtet. In 9 Prozent derBeiträge wird thematisiert, dass der Presserat für dieInformations- und Pressefreiheit eintritt. Die noch junge Aufgabe desRedaktions-Datenschutzes kommt selten vor: Nur vier Artikel in denfünf Jahren des Untersuchungszeitraums behandeln dieses Thema.
Das besondere Verhältnis von Taz und Bild
Meist lässt die Berichterstattung über die Arbeit desPresserats auch eine Bewertung erkennen. Diese wurde in derBerichterstattung als positiv gewertet, wenn eine optimistische Sichtauf die jeweilige Aufgabe vorherrscht. Das ist in der Mehrzahl derArtikel der Fall. Die Beschwerdearbeit wird in 78 Prozent der Berichtepositiv bewertet. Auch die Bereiche »Fortschreibung desPressekodexes« und das »Eintreten fürPressefreiheit« werden positiv bewertet.
Am meisten öffentliche Aufmerksamkeit erregt …
Sie wollen den ganzen Text? Dann bestellen Sie diese MESSAGE-Ausgabe! zur Bestellung
Kommentar hinterlassen