Hackgate
Deutsche Parallelen
In punkto fragwürdige Recherchemethoden sind die Deutschen trotz einiger Parallelen weitaus braver als ihre britischen Kollegen – und schlimmer als die Fehltritte ist der Verzicht auf Recherche.
von Ulrike Simon
Es war im Jahr 1984. Der tagelang tot in seinem Haus liegende Schriftsteller Uwe Johnson war gerade gefunden worden, als ein Journalist in das von Behörden versiegelte Haus im englischen Sheerness-on-Sea einbrach. Manche mögen vermuten, das müsse einer dieser moral- und gesetzlosen britischen Boulevardreporter gewesen sein. Der damals durch das Fenster eingestiegen ist, war jedoch Tilman Jens, zu jener Zeit Redakteur des Stern. Die Reportage war seine letzte für dieses Blatt. Erschienen ist sie nicht, und Jens war seinen Job los.
»Privat war gestern«
Ein Einbruch wie jener eines freien Journalisten in eine Schule, um ein Foto eines verunglückten Mädchens zu besorgen, ist heutzutage gar nicht mehr notwendig, sagen die beiden Berliner Medienrechtler und Autoren des neu erschienenen Buches »Privat war gestern«, Christian Schertz und Dominik Höch. In sozialen Netzwerken wie Facebook stellen die Mitglieder selbst privateste Fotos und Informationen online. Der Amoklauf von Winnenden oder die Katastrophe der Loveparade in Duisburg sind da nur die spektakulärsten Beispiele von Medienereignissen, die beweisen: Journalisten, die nach Informationen und Fotos von Opfern suchen, werden im Internet problemlos fündig. Daraus lassen sich mit etwas Schreibtalent und Fantasie ganze Psychogramme zaubern. Nicht nur fragwürdig, sondern unzulässig, oft jedoch ohne Konsequenzen ist zumindest die Verwendung dort gefundener Privatfotos.
Ausgelagerte Observation
Die Frage, wie weit deutsche Medien in ihren Recherchemethoden dem nun eingestellten Murdoch-Blatt News of the World ähneln, betrifft freilich andere Dimensionen. Hier wie dort gibt es Fälle, in denen von Rechercheaufträgen an Agenturen die Rede ist. In England waren Detektive beschäftigt, in Deutschland weiß man zumindest im Fall der Illustrierten Bunte von der Zusammenarbeit mit einer Agentur, deren Mitarbeiter observationstechnischen Methoden nicht abgeneigt waren. Der vom Stern enthüllte Skandal, wonach tatsächliche oder angebliche Liebesaffären von Politikern bespitzelt werden sollten, provozierte Empörung – und ein Gerichtsverfahren. Darin wurde die Zusammenarbeit zwischen Bunte und der Agentur nicht bestritten. Lediglich der Eindruck, die Bunte habe von den Methoden gewusst, hielt der gerichtlichen Überprüfung nicht stand.
Ohnehin scheinen unlautere Recherchen oft ausgelagert zu werden …
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