Titelthema: Journalismus mit Abstrichen
Die neue Öffentlichkeit
In China rücken Massenmedien peu à peu in die Agenda-Setter-Rolle. Insbesondere Wirtschaftsmedien gewinnen an Einfluss. Für Journalisten gilt es, gewonnene Aktionsräume zu nutzen. Ein Essay aus Shanghai.
von Li Peng
Seit ich mich in der Journalistenschule der Fudan-Universität einschrieb, folge ich meinem Traum: Ich möchte eine vernünftige, professionelle Journalistin sein, nicht nur ein grimmiger Muckraker oder gar ein unbedeutender Boulevardjournalist. Die meisten Journalisten in China sind noch jung, und ein professioneller Journalist kann lange durchhalten: Der US-amerikanische Talkshow-Moderator Larry King hat bis weit in seine Siebziger noch gearbeitet. Ich wäre gerne so wie er.
Das Jahr 2014 ist das vierzehnte Jahr meiner journalistischen Karriere. Als Redakteurin des 21st Century Business Herald in Shanghai decke ich vor allem das Jangtse-Delta ab, also Shanghai sowie die Provinzen Jiangsu und Zhejiang.
Gelegentlich reise ich auch in andere Teile Chinas, um über ein Ereignis oder ein Business-Meeting zu berichten. Der 21st Century Business Herald ist eine landesweit erscheinende Wirtschaftszeitung und rangiert mit seiner täglichen Auflage (762.000 Exemplare) unter den ersten drei in China. Warum ich trotz all der bekannten Schwierigkeiten und Anstrengungen bei meinem Beruf als Journalistin bleibe? Ich habe dafür zwei Gründe: Erstens will ich mich selbst weiterentwickeln – und zweitens China.
Leider liegen die Dinge nicht immer so einfach. Wann immer man auf die Situation der Medien in China zu sprechen kommt, denken vor allem unsere internationalen Kollegen daran, wie die Pressefreiheit beschnitten wird. Das ist verständlich. Natürlich laufen die Propagandabestimmungen einer freien Presse zuwider. Aber ich möchte dennoch darauf hinweisen, dass jede Regierung der Presse- und Meinungsfreiheit Grenzen setzt. Deshalb sollten Medien diese Beschränkungen bekämpfen und so viel von der Wahrheit aufdecken wie irgend möglich.
Ich möchte das an einem Beispiel aufzeigen. In China wurde vor Kurzem die Arzneimittelverbreitung reformiert. Lange Zeit hieß es, Anfang 2013 würde ein Gesetz erlassen, welches das Pharma-System regelt. Ende 2012 fragten dann alle Journalisten, die sich auf Gesundheitsthemen spezialisiert haben, nach den Änderungen, die die Reform mit sich bringen würde. Zu diesem Zeitpunkt kursierten viele verschiedene Versionen des Gesetzestextes. Aber wir konnten nicht herausfinden, welche die richtige war. Die Verantwortlichen in der Regierung schwiegen.
Natürlich haben wir auch in China …
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