Recherche
Undercover unter Kinderschändern
Ein Jahr lang recherchiert ein TV-Journalist undercover im Kinderschänder-Milieu. Als er ahnt, dass ein Verbrechen bevorsteht, bricht er mit einer ehernen Regel des Journalismus: Er hebt den Quellenschutz auf – und geht zur Polizei. Protokoll einer journalistischen Gratwanderung.
von Wolfram Kuhnigk
Kölner Reporter sprengt Pädophilen-Ring« (Bild, 9. Mai 2014) und »RTL-Reporter hebt einen Pädophilen-Ring aus: Das lässt keinen kalt« (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Mai 2014): Das waren die Schlagzeilen Anfang Mai dieses Jahres. Ich bin dieser Journalist. Über ein Jahr habe ich mich als vermeintlich pädophiler Mann in die Szene eingeschleust und dort undercover recherchiert. Ich habe Selbsthilfegruppen besucht, tagelang in einschlägigen Foren gechattet, persönliche Kontakte zu Pädophilen aufgebaut und Missbrauchsopfer getroffen.
Bevor ich Journalist wurde, war ich erst Rettungsassistent, dann Tatortfotograf in einer Mordkommission. Als solcher erlebte ich die schlimmsten Auswirkungen von Gewalt gegen Kinder – bei deren Autopsie. Dort kam ich auch zum ersten Mal mit Opfern pädophiler Gewalt in Kontakt. Heute bin ich freier TV-Journalist, Arbeitsschwerpunkt »Crime«.
Ich musste denken wie ein Pädophiler
Nach meinem Bericht über die Sekte der »12 Stämme« wurde Pädophilie mein zweites Thema für die RTL-Sendung Undercover Deutschland. Wie nähert man sich einem solchen Thema mit dem Ziel, einen Film zu realisieren? Es gibt für mich kein »Lehrbuch des investigativen TV-Journalismus«, keine Vorbilder, deren Arbeitsweise ich kopieren wollte. Aber es gibt Erfahrungswerte, ein Bauchgefühl, eine Intention und – meistens zumindest – die Überzeugung, das Richtige zu tun. Es gab keine Vorgaben für mich seitens des Senders, lediglich die unausgesprochene, freiwillige Verpflichtung, nicht gegen ethische und moralische Werte zu verstoßen, sowie die schriftlich fixierte Zusicherung, journalistisch sauber zu arbeiten.
Wie recherchiert man im pädophilen Umfeld? Woher kommt Pädophilie, wie leben Betroffene damit, welche Therapiemöglichkeiten gibt es und natürlich: Wie tauschen sich Gleichgesinnte aus? »KiPo«, das Wort stand sofort im Raum – gemeint ist kinderpornografisches Material. Nach eigenem Bekunden für prozentual nicht einzugrenzende Pädophile ist es deren einzige Möglichkeit, ihre nicht selbst gewählte sexuelle Neigung zumindest alleine und mit sich selbst auszuleben.
Das ist illegal. Der Besitz und auch die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte sind verboten und werden bestraft. Hinter jedem Film, jedem Foto steckt ein real vollzogener Missbrauch, immer wurde ein Kind geschädigt.
Damit war meine erste elementare Grenze definiert: Tausch, Besitz oder auch nur das Ansehen kinderpornografischen Materials schied aus – auch als Legitimation, um mit Pädophilen in Kontakt zu kommen. Mit der Hilfe von Juristen, Polizeidienststellen und zwei Generalstaatsanwälten definierte und präzisierte ich weitere rechtliche Grenzen …
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