#nr21 | Finanzierung
Ein prekäres Verhältnis
Die Branche ist immer noch eher den Privilegierten vorbehalten. Was macht das mit unserer Profession?
von Eileen Berger
Häufig sind journalistische Praktika Ausbeutung. Sie sind in Studium oder Ausbildung verpflichtend, werden dabei aber überwiegend nicht vergütet – weil Medienunternehmen sie gezielt auf drei Monate befristen. Genauso lange darf ein Pflichtpraktikum dauern, ohne dass eine Bezahlung fällig wird. Jackpot also für Arbeitgeber:innen!
Und was macht der journalistische Nachwuchs, der ein unbezahltes Praktikum nicht durch die nötigen finanziellen Ressourcen auffangen kann? Der wird vom sozialen Sieb aussortiert.
Thomas Schnedler promovierte 2017 an der Universität Hamburg zum Thema „Prekäre Arbeit im Journalismus“ und beurteilt die Entwicklung kritisch: „Ich sehe es als große Gefahr, dass der Beruf, der ohnehin schon eher von Menschen aus der Mittelschicht mit akademischer Bildung geprägt ist, sich noch stärker zu einem Beruf entwickelt, den man sich tatsächlich leisten können muss.“ Die geringe Bezahlung könnte all jene vom Journalismus abschrecken, die nicht auf andere Mittel zurückgreifen können. „Wenn die soziale Selektion schon beim Berufseinstieg stattfindet, dann kann das auch dazu führen, dass ganz viele Sichtweisen verlorengehen und auch die Diversität im Journalismus ein Wunschtraum bleibt“, meint Schnedler.
Fast alle Volos haben studiert
Eine Erhebung zum Nachwuchs in der ARD spiegelt diese Entwicklung wider: Knapp 95 Prozent der Volontär:innen haben studiert – mehr als fünfmal so viele wie in der Gesamtbevölkerung. „Es wird hier fast nur eine ganz bestimmte gesellschaftliche Gruppe bedient“, sagt auch Caroline Schmidt- Gross, Dozentin an der Akademie für Publizistik in Hamburg. „Von den Volontär:innen, die ich unterrichte, kommen nur langsam mehr Menschen mit einem multikulturellen Hintergrund in die Seminare, aber viele sind es nicht.“ Die Vereinigung möglichst diverser Sichtweisen im Journalismus scheint Wunschdenken zu bleiben.
Außerhalb der Medienbranche wird das Problem allerdings kaum wahrgenommen. „Die meisten Konsumenten wissen gar nicht, unter welchen prekären Bedingungen Journalismus eigentlich produziert wird“, sagt Jana Rick, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsprojekt „Prekarisierung im Journalismus“ an der LMU München. Thomas Schnedler, Projektleiter bei Netzwerk Recherche, plädiert für Solidarität „auch von denjenigen, die einen sicheren, gut bezahlten Job haben“. Diese „generationsübergreifende Solidarität“ sollte nicht nur unter Journalist:innen herrschen, sondern auch von den Arbeitgeber:innen gezeigt werden. Verbandsvertreter:innen wollten sich zu dem Thema nicht öffentlich äußern.
Das ZDF hat angekündigt, ab dem 1. Juli Praktika mit 350 Euro zu vergüten. Das nicht gerade üppige Honorar wurde daraufhin als großer Erfolg gefeiert. Eine angemessene Bezahlung für ein journalistisches Praktikum sollte aber nicht als ein Privileg glorifiziert werden, sondern ein Grundrecht sein. Der Profession drohen sonst „elitärer Bubble-Journalismus oder verschuldete Berufseinsteiger:innen“, twitterte die Journalistin Luisa Thomé. Touché.
1. Juli 2021