#nr19 | Finanzierung
Journalismus ist sein Geld wert
Wenn Journalisten nicht von ihrem Einkommen leben können, hat das gravierende Folgen – für sie selbst, aber auch für die Medienqualität.
von Julia Behre
Hauptberufliche Journalisten in Deutschland verdienen im Durchschnitt rund 2900 Euro netto im Monat, wie die Daten der „Worlds of Journalism Study“ (2014-2015) für Deutschland zeigen. Knapp jeder Vierte verfügt über ein Nettoeinkommen zwischen 1800 und 2400 Euro im Monat. Bei freien Journalisten ist es oft noch weniger. Fast 28 Prozent von ihnen verdienen weniger als 1800 Euro netto monatlich. Bei den festangestellten Kollegen sind es 15 Prozent.
Zunehmende Prekarisierung?
„Geringe Honorare sind unangemessen und für den Einzelnen richtig ätzend“, sagt Thomas Schnedler, der im Rahmen seiner Dissertation an der Universität Hamburg zur Prekarisierung im Journalismus mit 30 festangestellten, fest-freien und freien Journalisten gesprochen hat. „Aber ernst wird es, wenn es nicht reicht, um die Existenz zu sichern.“ Wann genau Arbeitsbedingungen prekär sind, das Einkommen also nicht zum Leben reicht, lässt sich nicht so leicht sagen. Neben einem geringen Einkommen äußere sich Prekarität auch in einer lückenhaften rechtlichen Absicherung oder unzureichender Integration in soziale Netzwerke der Arbeitswelt. Schnedler fand außerdem heraus, dass journalistische Arbeit unter schlechter Bezahlung und hohem Arbeitstempo aus Sicht der Betroffenen an Sinn verlieren kann.
Aussagen über das Ausmaß der Prekarisierung sind aufgrund fehlender statistischer Daten nur schwer möglich. Schnedler wünscht sich mehr Offenheit, Transparenz und Solidarität unter den Kollegen. „Denn nur wenn es thematisiert und diskutiert wird, kann man auch entscheiden, was die angemessenen politischen Lösungen dafür sind.“ Dazu beitragen könnte die im vergangenen Jahr vom Verband Freischreiber gestartete Plattform wasjournalistenverdienen.de, auf der Journalisten ihre Erfahrungen mit Honoraren einzelner Medienhäuser teilen können.
Journalismus im Teufelskreis?
Letztlich spiegele sich in den prekären Beschäftigungsformen die Krise der Medienbranche wider, sagt Schnedler, der auch bei Netzwerk Recherche engagiert ist. Die Ursachen seien unter anderem in der Digitalisierung, der Erosion journalistischer Geschäftsmodelle und dem damit verbundenen Spardruck der Medienunternehmen zu suchen. „Prekäre Arbeitsbedingungen beeinflussen sowohl den Zugang in den Journalismus als auch diejenigen, die bereits seit längerer Zeit im Journalismus tätig sind“, sagt Schnedler. Und so stellten sie auch eine potenzielle Gefahr für die journalistische Qualität dar. Gerade die sei aber entscheidend, wenn es um die Zahlungsbereitschaft des anspruchsvollen Publikums geht, meint Sascha Hölig, Medienforscher am Hans-Bredow-Institut. Er ist überzeugt: Wenn sich der Journalismus auf seine traditionellen Tugenden zurückbesinne, sei das Publikum auch bereit, dafür zu bezahlen. Noch ist die Zahlungsbereitschaft für Online-Nachrichten laut „Reuters Institute Digital News Report 2019“ in Deutschland allerdings sehr niedrig. Den Honoraren der Journalisten täte ein zahlungswilliges Publikum allemal gut.
15. August 2019