#nr20 | Vielfalt
Junge Vielfalt

Medienangebote in Deutschland sollten diverser werden. Viele junge Redaktionen machen es schon vor. Was sich vom Nachwuchs in Sachen Diversität lernen lässt

von Leonie Albrecht

vielfaltWenn in deutschen Talkshows zum Thema Rassismus nur Weiße miteinander diskutieren, wird einmal mehr deutlich: Die Medien haben ein Diversitätsproblem. Redaktionen sind zu homogen besetzt und diverse Perspektiven unterrepräsentiert. Das betrifft nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund, auch verschiedene sexuelle Orientierungen und Bildungswege werden oft vernachlässigt. Ein Fehler, denn „gerade vermeintliche Minderheitsmeinungen sind relevant, weil sie unsere Gesellschaft weiterbringen“, meint Jessica Türk, Antidiskriminierungsbeauftragte bei funk, dem Jugendangebot von ARD und ZDF. Dass es auch anders geht, zeigen die jungen Ableger großer Medienhäuser. Bei funk, jetzt, bento und ze.tt werden diverse Themen für das junge Publikum längst facettenreich aufbereitet. Was machen die jungen Redaktionen besser?

Themen anders umsetzen

„Es gibt eine Sensitivität für das Thema“, sagt Charlotte Haunhorst, Redaktionsleiterin von jetzt, dem jungen Angebot der Süddeutschen Zeitung. Die Redaktion entschied sich beispielsweise dazu, die Rubrik „Jungs-Mädchen-Frage“ in „Querfragen“ umzubenennen. Die ursprüngliche Bezeichnung erschien den Journalist*innen durch die öffentliche Diversitätsdebatte nicht mehr zeitgemäß. Auch in anderen Jugendangeboten haben diverse Themen in eigenen Rubriken Platz: ze.tt schreibt über „Queeres Leben“ und bento berichtet in „Inklusion“ über Menschen mit Behinderung. Redaktionelle Ansätze, die es in Deutschlands reichweitenstärksten Medien noch zu wenig gibt.

Es gebe zwar ein Problembewusstsein, „trotzdem findet eine aktive Suche nach neuen Geschichten oder Perspektiven eher punktuell statt“, so das Fazit der Neuen Deutschen Medienmacher*innen in ihrem jüngsten Diversity-Bericht.

Als positives Beispiel für inhaltliche Diversität nennen sie das mit dem Grimme Online Award ausgezeichnete funk-Format „Karakaya Talk“. Bis Mai 2020 sprachen darin junge Menschen mit Migrationshintergrund über Themen wie westliche Schönheitsideale oder queere Muslim*innen. Die thematische Vielfalt sieht Jessica Türk in der Redaktion begründet: „Fast alle haben einen Migrationshintergrund, es gab andere sexuelle Orientierungen oder Identitäten als die heteronormative. Damit wurden viele Themen ganz anders umgesetzt.“

Eine nachhaltig diverse Berichterstattung ist auch laut jetzt-Redaktionsleiterin Haunhorst nur mit einer diversen Redaktion möglich. Seit drei Jahren motiviert die Redaktion daher gezielt Menschen, die diese Vielfalt mitbringen, sich zu bewerben. Die Redaktion habe sich für sie seither wahrnehmbar verändert. funk konzentriere sich bei der Suche nach neuen Talenten „weniger auf formale Bildung oder Werdegang, sondern mehr auf die Kompetenz der Person“, um einen niedrigschwelligen Einstieg zu ermöglich, erklärt Türk.

Diverse Angebote vor dem Aus

Doch ausgerechnet diverse Angebote haben wirtschaftlich zu kämpfen: Anfang Juni 2020 verkündete der Spiegel, dass bento eingestellt und durch das neue Angebot Spiegel Start ersetzt werde. Kurz danach machte der Zeitverlag bekannt, dass es ze.tt in Zukunft nur mehr als Ressort bei Zeit Online geben werde. Es bleibt zu hoffen, dass die Medienhäuser diese Umstrukturierungen nutzen, um diverse Berichterstattung auch über ihre Jugendangebote hinaus zu stärken.

 

11. August 2020