Populismus
Gespräch unter Kollegen?

Die Alternative für Deutschland (AfD) und die meisten deutschen Journalisten haben kaum gemeinsame Nenner. Zwar zeigte die Diskussion zwischen AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland und ‚den Medien’ auf der netzwerk recherche Jahreskonferenz durchaus konstruktive Elemente – sie war aber insgesamt ein ideologisches Kräftemessen ohne wirklichen Ertrag.

von Ariane Butzke, Marcel Nobis und Martin Wittler

Ein Raunen ging durch das Publikum. Wieder sprangen sie alle über ein Stöckchen, das die AfD den Journalisten vor die Füße warf. Alexander Gauland hatte gerade die Anfeindungen gegen ein AfD-Mitglied in Berlin-Weißensee mit der Verfolgung der Juden während des Nationalsozialismus verglichen. „Dabei wollten wir doch nicht mehr über jedes Stöckchen springen“, stellte Moderator Stefan Weigel von der Rheinischen Post fest, nachdem sich die Diskussion minutenlang um diesen Vergleich gedreht hatte.

Allein

die kritische Berichterstattung über die AfD durch die Mehrheit der deutschen Medien könne das „katastrophale Verhältnis“ nicht erklären, hatte Moderator Weigel die Diskussion eröffnet. Stattdessen sei es aufgrund von einseitiger Berichterstattung und gezielten Provokationen dazu gekommen, dass Sympathisanten der AfD die deutschen Medien heute ‚Lügenpresse‘ oder ‚Pinocchio-Presse‘ nennen.

Die Medien, auf dem Panel vertreten durch Spiegel-Redakteurin Melanie Amann und tagesschau-Chefredakteur Kai Gniffke, haben Gauland zufolge im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 zu einseitig berichtet. „Ab einem bestimmten Punkt kam ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung nicht mehr in der Berichterstattung vor“, kritisierte der AfD-Vize. Kritiker der „Merkelschen Flüchtlingspolitik“ seien von den Medien voreilig in eine „rechte oder braune Ecke“ gestellt worden. Somit sei ein Image von der Partei geschaffen worden, das einseitig und in vielen Aspekten auch falsch sei. Kai Gniffke widersprach, dass es bereits während der Ukraine-Krise und mit dem Aufkommen der Pegida-Bewegungen zu Spannungen zwischen den Medien und der AfD gekommen sei.

Innerparteiliche Unterschiede

Melanie Amann reflektierte selbstkritisch ihren eigenen Umgang mit der AfD. Seit der Gründung der Partei 2013 beobachtet sie deren Entwicklung und lenkte ein, auch sie habe anfänglich zu kritisch über die „damals noch gemäßigte Partei“ berichtet. Mittlerweile könne man aber nicht mehr von einer gemäßigten AfD sprechen und auch nicht von gemäßigten Parteimitgliedern.

„Mein Verhältnis zu AfD-Politikern ist sehr unterschiedlich. Herr Gauland ist ansprechbar und ich kann mich mit ihm auf einer konstruktiven Ebene austauschen“, sagt Amann. Dies gelte nicht für die Parteivorsitzende Frauke Petry oder den Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell. Viele Funktionäre schürten bewusst Wut und Ärger auf die Medien, so Amann. Man dürfe nicht alle Parteimitglieder pauschal als Mediengegner abstempeln. Dennoch sieht die AfD-Expertin gerade unter den Landesvorsitzenden und im Spitzenduo für den Bund – neben Gauland ist das Alice Weidel – Persönlichkeiten, die konsequent Entscheidungen gegen  Journalisten träfen.

Kai

Gniffke ergänzte, dass er die zunehmende Gewalt gegenüber Journalisten mit großer Sorge beobachte. Er fürchte, dass durch polemische Parolen von AfD-Politkern die Hemmschwelle auf Parteitagen immer weiter sinke und die Gefahr für Journalisten dadurch weiter steige.

Strategie oder Willkür?

Gauland hob in diesem Zusammenhang hervor, dass er als ehemaliger Verleger und Publizist  Angriffe und Beleidigungen gegen Journalisten keinesfalls billige. In Brandenburg habe er als ehemaliger AfD-Landesvorsitzender den Ausschluss von Journalisten von Parteitagen immer unterbunden. Es stehe ihm aber nicht zu, sich in die Belange anderer Bundesländer einzumischen, entgegnete er auf die Forderung von Melanie Amann, sich entsprechend zu äußern.

Kai Gniffke warf dem Politiker hier Scheinheiligkeit vor. Als Bundesvize habe er sehr wohl den Einfluss, mäßigend auf Parteikollegen einzuwirken. Die Aussagen Gaulands fügten sich  Moderator Weigel zufolge in das Kommunikationsmuster der AfD ein – „provozieren und relativieren“. Auf die Frage, ob sich hier eine Strategie erkennen lasse, waren sich Amann und Gniffke uneinig. Die Spiegel-Redakteurin unterstellte einigen Landesvorsitzenden eine bewusst provokative Kommunikationsstrategie. Gniffke tat die vielen „Ausrutscher“ dagegen als „Dämlichkeiten“ ab.

Auch der AfD-Bundesvize äußerte Kritik. Gauland beklagte, dass viele Journalisten „schon aus Prinzip“ nicht mit Mitgliedern der AfD sprechen würden. „Ich verstehe nicht, warum man plötzlich nicht mehr mit uns spricht.“ Im Gegensatz zu Reporterteams und Redakteuren zeige die AfD sich im gegenseitigen Umgang „sehr tolerant“. Das Gelächter des Publikums ignorierend, forderte er Journalisten zu mehr Offenheit im Umgang mit der Partei auf.

Gauland umstrittenster Redner

Der Auftritt Alexander Gaulands war schon vor Beginn der Tagung umstritten: Mitglieder der Journalistenvereinigung netzwerk recherche diskutierten darüber, ob man populistischen Parteien wie der AfD eine Bühne bieten sollte. Während Julia Stein, erste Vorsitzende von netzwerk recherche, sich für den Dialog und die Konfrontation mit der AfD aussprach, trat die Journalistin Andrea Röpke aus dem gemeinnützigen Verein aus.

Kuno Haberbusch rechtfertigte die Einladung Gaulands so: „Wir zeigen uns offen für den Dialog, im Gegensatz zur AfD“. Wiederholt wurden Reporter nicht zu Parteitagen der AfD zugelassen oder währenddessen vor die Tür gesetzt. Haberbusch habe Gauland eingeladen, „damit wir ihm mal alles sagen können, was uns stellenweise wirklich ankotzt“.

Gauland selbst äußerte sich im Anschluss an die Podiumsdiskussion im Interview mit Message Online (siehe Video unten) positiv über seine Einladung zur Konferenz. Schon während der Diskussion hatte der ehemalige Herausgeber der Märkischen Allgemeinen Zeitung mehrfach betont, sich im Kreise seiner ehemaligen „Kollegen“ wohlzufühlen. Die Journalisten im Publikum taten sich eher schwer damit, den AfD-Spitzenkandidaten als einen der Ihren anzuerkennen.

Einen Mitschnitt der Diskussionsrunde gibt es bei spreerunde.

21. Juni 2017