#nr20 | Finanzierung
Staatsknete willkommen?
Taugen staatliche Finanzspritzen als Rettung aus der Medienkrise? Während noch um das Für und Wider debattiert wird, schafft der Bund Tatsachen – und stiftet Verwirrung
von Anna-Sophie Schütz
Auf Redaktions- und Verlagsebene war man sich lange einig: Staatsknete, nein danke! Bekräftigt wurde dieses Credo noch kürzlich vom Präsidenten des Verlegerverbands BDZV und Chef der Axel Springer SE, Mathias Döpfner. „Ich halte Staatshilfe für Verlage für falsch“, betonte er in einem Spiegel-Interview.
Unter dem Druck der Corona-Krise scheint der Konsens, die eigene Unabhängigkeit vom Staat um jeden Preis hochzuhalten, jedoch zu bröckeln. Nicht zuletzt, weil Journalismus als systemrelevant beurteilt wird und unbedingt erhalten werden muss.
Brandbeschleuniger Corona
„Wenn eine Zeitung gestorben ist, gibt es keine Nachfolge“, mahnt der Leiter des Medienforschungsinstituts Formatt, Horst Röper. Er fordert seit Jahren staatliche Unterstützung für die Medien – und sieht darin keine Gefahr. Die Unabhängigkeit der Medien ist in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert, was laut Röper für den Bund bedeutet: finanzielle Hilfe ja, direkt vom Staat nein. Sein Lösungsvorschlag: die Zwischenschaltung unabhängiger Gremien wie den Landesmedienanstalten. Sie fördern in Nordrhein-Westfalen unter anderem bereits Bürgerradios.
Ähnlich wie Röper sieht es der Medienökonom Christopher Buschow von der Bauhaus-Universität Weimar. Für ihn bieten sich die Landesmedienanstalten mit ihrer staatsfernen Organisation und der pluralistischen Besetzung ihrer Gremien an. „Man kann es auch über Expertenjurys machen“, schlägt er weiter vor. Branchenkenner*innen verfügen seiner Ansicht nach über ein substanzielles Journalismusverständnis und könnten Förderungen bedarfsgenau verteilen. Journalistik-Professor Klaus-Dieter Altmeppen von der Universität Eichstätt sieht auch die Medienunternehmen in der Pflicht und bringt einen Gesellschaftsvertrag ins Spiel. In diesem sollen sich die geförderten Unternehmen zur Wahrung der journalistischen Autonomie sowie zur Nutzung der Gelder zur Stützung des Journalismus verpflichten.
Alle sind sich einig: Corona wirkt als Brandbeschleuniger für die chronische Medienkrise. Laut Medienökonom Buschow, der sich in normalen Zeiten nur für Innovationsförderungen aussprechen würde, dürfe man deshalb gerade jetzt nicht diejenigen Medien aus den Augen verlieren, die aufgrund der coronabedingten Verschärfung der Medienkrise in Schieflage gerieten. Hier müsse schnelle staatliche Hilfe geprüft werden. Ließe man sie in der aktuellen Situation alleine, drohte eine womöglich irreversible „Marktbereinigung, die zum Verlust von Vielfalt und Pluralismus“ führen könnte – gerade im Lokaljournalismus. Zur Verhinderung von weißen Flecken auf der Medienlandkarte benötigten die angeschlagenen Medien „einen Moment zum Durchatmen“. Jedoch weiterhin mit der Bedingung: keine direkten Hilfen. In der politischen Debatte war neben der konkreten Corona-Soforthilfe für private Hörfunkveranstalter zunächst nur die Idee einer Stiftung zur Förderung des Wissenschaftsjournalismus angekommen. Finanziert werden soll diese auf Vorschlag der Wissenschaftspressekonferenz durch das Bildungsministerium und private Förderer.
Überraschung aus Berlin
Anfang Juli dann die Überraschung: Der Bundestag beschließt, Zeitungs- und Zeitschriftenverlage mit einer Summe von 220 Millionen Euro auf ihrem Weg in die digitale Zukunft unter die Arme zu greifen. Eine bereits im November 2019 beschlossene, aber nie freigegebene Hilfe für die Zeitungszustellung in Höhe von 40 Millionen Euro war damit vom Tisch. Bei den Verlegern, die lange für die staatlichen Hilfen bei der Zustellung gekämpft hatten, herrscht nach dieser Volte nun Verwunderung. Sie befürchten, dass durch direkte Subventionen der Verlage die redaktionelle Unabhängigkeit auf dem Spiel steht.
Die ersten 20 Millionen Euro sollen noch dieses Jahr an die Verlage fließen, der Rest in den kommenden Jahren. Wie jedoch die Förderrichtlinien für die Verteilung der Staatsgelder aussehen, wer profitieren soll und in welcher Form die Auszahlung erfolgt, ist bislang noch völlig offen.
10. August 2020