#nr15 Spezial | Recherche
Wie angelt man sich einen Millionär?
Recherchieren unter Reichen
von Yannic Hannebohn und Eva Steinlein (beide DJS)
Wie macht sich ein Journalist für Menschen interessant, die berühmt sind und viel Geld haben? Die Autoren Julia Friedrichs („Wir Erben“) und Dennis Gastmann sprachen mit Moderator Uwe Ritzer (Süddeutsche Zeitung) über ihren schwierigen Zugang zur unerforschten Schicht der richtig Reichen.
„Ein Naturforscher steckt sich Äste ins Haar und beschmiert sein Gesicht mit Scheiße, ich kaufe mir einen Smoking“, schreibt Dennis Gastmann. Ein Jahr lang hat er für sein Buch „Geschlossene Gesellschaft“ recherchiert. Er war in St. Moritz und in Monte Carlo, er trug Smoking und trank Drinks in elitären Kreisen, abends schlief er in schmuddeligen Zimmern und aß Dosenfutter. Das war der Preis für einen Einblick in das Leben von reichen Menschen, die lieber fern der Öffentlichkeit leben.
Der Beginn war holprig: Viel Anfragen mit Copy-Paste, viele Absagen. Manchmal hatte Gastmann Glück und schaffte es ins Vorcasting. Dann sprach er mit PR-Beratern oder mit Büros und Chefbüros, er wurde getestet und wieder aussortiert. Gastmann hätte fast mit Scheich al-Walid gesprochen, weil sich der Multimillionär mit Platz 26 auf der Forbes Liste zu niedrig eingestuft fühlte. Gastmann musste für das Interview vorsprechen, bei „einem harten Hund“, sagt Gastmann. „Der hat mich fertig gemacht.“
Ähnlich schwer hatte es Julia Friedrichs. Friedrichs ist Anfang 30, als sie merkt, dass etwas schief läuft: Sie kann ihr Leben finanzieren – ihre Freunde kaufen stattdessen Immobilien, die sie sich nie leisten könnte. Das Geld dafür haben sie geerbt. Friedrichs stört es, dass Vermögen in Deutschland immer ungleicher verteilt werden. Ihre Freunde wollen über die Erbschaften nicht reden. „Das Erbe unterliegt einem doppeltem Tabu“, sagt Friedrichs. „Man spricht nicht gerne über Geld und vor allem nicht über Geld, das man nicht selbst verdient hat.“ Also recherchiert sie zwei Jahre lang und spricht mit dem sozialen Umfeld der Reichen: Anwälte, Biografen, auch sie ist auf Partys unterwegs, bis sie an die Erben selbst kommt.
„Der beste Zugang ist dann immer eine Art therapierendes Gespräch zu führen“, sagt sie. Viele Erben hätten ein Problem mit dem Reichtum, den sie nicht selbst verdient haben. Dafür musste sie viel Vorarbeit leisten, sie stellte ihr Projekt ausgiebig vor, führte lange Vorverhandlungen mit ihren Protagonisten und blieb hartnäckig.
Dennis Gastmanns Masche ist anders: Er gibt sich eher naiv und demütig. In den richtigen Momenten hört er zu. Und lässt sich einladen. „Das ist ein Punkt, wo man mich kriegen kann“, antwortet er auf eine Frage zur Neutralität des Journalisten. „Aber ich habe gemerkt, dass einem die Leute weniger erzählen, wenn man nicht darauf eingeht.“
Die Gesprächsblockade für Friedrichs ist ihr Aufnahmegerät. Manchmal muss sie es weglegen, damit die Leute ihr mehr erzählen. Friedrichs will das Thema Reiche nicht der Boulevard-Presse überlassen. Der Reichtum werde unterschätzt, laut ihren Recherchen würden ca. 200 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland vererbt. „Reiche, die nicht reden, sind ein Problem.“
6. Juli 2015